Drei Alpakas auf wichtiger Mission

Drei Alpakas des Max-Planck-Instituts (MPI) für biophysikalische Chemie in Göttingen helfen der Wissenschaft bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Denn aus ihrem Blut können Forschende Baupläne für Antikörper gegen das Coronavirus ableiten. Diese sogenannten Nanobodies könnten künftig außerdem viele der herkömmlichen Antikörper ersetzen und die Tierzahl in der Antikörper-Produktion drastisch reduzieren. 2018 wurden zwei Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für diese Technik bereits mit dem Tierschutzforschungspreis des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ausgezeichnet.

Antikörper helfen dem menschlichen Immunsystem dabei, Krankheitserreger abzuwehren. Sie erkennen beispielsweise gezielt Viren und verbinden sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip mit ihnen. So machen sie die Viren unschädlich. Bis heute gibt es jedoch keine Methode für die „Schlösser“ der Erreger, den passenden Antikörper-„Schlüssel“ vorherzusagen und diese Schlüssel dann künstlich herzustellen. Auch heute schon verwenden Forschende vermehrt tierversuchsfreie Methoden. Dennoch muss in vielen Fällen ein intaktes Immunsystem dabei helfen, geeignete Antikörper zu finden. Für die Produktion werden dann Tiere immunisiert, indem man ihnen einen Bestandteil des Erregers (das sog. Antigen) spritzt, gegen den das Immunsystem Antikörper bilden sollen. Das Immunsystem der so „geimpften“ Tiere bildet dann verschiedenste Antikörper, die aus dem Blut gewonnen werden können. Dabei versuchen Wissenschaftler*innen üblicherweise, so viel Blut wie möglich zu gewinnen, weshalb die Tiere (oft Kaninchen) dazu narkotisiert und dann getötet werden.

Schlüssel-Schloss-Prinzip

Zwei der neuentwickelten Nanobodies (blau und magenta) binden an die Rezeptor-Bindedomäne (grün) des Coronavirus-Spike-Proteins (grau) und verhindern dadurch die Infektion mit Sars-CoV-2 und dessen Varianten. 
© Max-MPI f. biophysikalische Chemie/ Thomas Güttler

In weiteren Zwischenschritten trennen Forschende aus dem Antikörpermix die besten Antikörper gezielt ab und reinigen diese auf. Ist der „Bart des Schlüssels“, sprich der genaue Bauplan der neuen Antikörper (ihre Aminosäuresequenz), dann einmal bekannt, können sie auch künstlich hergestellt werden. In der Human-Medizin gibt es für solche Antikörper verschiedene Einsatzgebiete. Sie können etwa Beschwerden lindern und verkürzen Krankheitsverläufe. Auch zur Behandlung von Covid-19-Patient*innen setzen Ärzt*innen Antikörper als Wirkstoff ein. Viele industriell produzierte Antikörper sind allerdings mit einem Problem verbunden: Ihre Herstellung ist so aufwändig und teuer, dass die Wissenschaft dadurch niemals die weltweite Nachfrage abgedecken könnte. Darüber hinaus ist die Erstgewinnung wie beschrieben oft mit einer großen Belastung für die Tiere verbunden.

Kleiner Einsatz – große Wirkung

Wissenschaftler*innen des Göttinger Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie und der Universitätsmedizin Göttingen ist nun die Entwicklung von neuartigen Nano-Antibodies (auch Mini-Antikörper genannt) gelungen. Forschende könnten sie zu einem höchst-wirksamen Medikament gegen Covid-19 weiterentwickeln. Nach Angaben der Max-Planck-Gesellschaft binden und neutralisieren diese sogenannten Nanobodies das Coronavirus bis zu 1.000-Mal besser als bislang entwickelte Antikörper.

Alpaka Nora am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie.
© MPI f. biophysikalische Chemie/ Carmen Rotte

Einen wesentlichen Beitrag zur Herstellung dieser Nanobodies leisten die drei Alpakas Britta, Nora und Xenia. Denn um die Nanobodies herzustellen, spritzten die Forschenden den Tieren mehrmals einen Teil des Spike-Proteins des Coronavirus. Daraufhin entwickeln die Alpakas Antikörper gegen den Proteinteil. Nachdem die Wissenschaftler*innen den Tieren eine kleine Menge Blut entnommen haben, ist die Arbeit für Britta, Nora und Xenia bereits getan und die Tiere können zu ihrer Herde zurückkehren. Die weitere Entwicklung der Nanobodies findet nämlich im Labor statt. Dort fischen die Forschenden aus unzähligen verschiedenen Nanobodies diejenigen heraus, die sich am besten eignen. Das passiert mithilfe von Enzymen, Bakterien, Hefezellen und sogenannten Baketriophagen. Danach testen Wissenschaftler*innen diese Nanobodies auf ihre Wirksamkeit und verbessern sie in der Folge immer weiter. Denn nicht jeder Antikörper kann die Viren unschädlich machen. Die Forschenden stellen die Infektion daher an Zellkulturen nach. So erfahren sie, welche Nanobodies das Coronavirus am effizientesten ausschalten (neutralisieren) können.

Wichtiger Beitrag zum Tierschutz

Für die Entwicklung der sogenannten Nanobodies hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die beiden Wissenschaftler Dirk Görlich und Tino Pleiner vom MPI für biophysikalische Chemie 2018 bereits mit dem Tierschutzforschungspreis ausgezeichnet. Denn diese Technik könnte in der Medizin und Forschung die bislang meistgenutzten Antikörper ersetzen und so die Anzahl der Tiere in der Antikörper-Produktion drastisch reduzieren. Die Belastung für die Alpakas während der „Impfung“ und bei der anschließenden Blutentnahme ist für die Tiere äußerst gering. Die Tiere können nach nur wenigen Minuten zu ihrer Herde zurückkehren und im Laufe ihres Lebens an mehreren Nanobody-Projekten mitwirken. Alles verbunden mit einer sehr guten Lebensqualität und hoher Lebenserwartung.

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Bemerkenswert ist auch die besondere Vielseitigkeit der entwickelten Nanobodies. Denn obwohl die Wissenschaftler*innen die Alpakas mit einem Teil des ersten Coronavirus-Stamms geimpft haben, entwickelten deren Immunsysteme auch Antikörper gegen die Alpha-, Beta-, Gamma- und Delta-Variante des Virus. Die Forschenden wollen die Nanobodies nun so schnell wie möglich für den sicheren Einsatz als Wirkstoff testen. Denn weil sich Nanobodies kostengünstig und schnell in großen Mengen herstellen lassen, könnten sie sogar den weltweiten Bedarf an Covid-19-Medikamenten decken. Klinische Tests werden aktuell bereits vorbereitet.


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