Ein weißes Kaninchen im Käfig.

Die Geschichte des Pyrogentests

Es kann bis zu 15 Jahre dauern, bis eine Alternativmethode den langwierigen wissenschaftlichen Prüfungsprozess bis zu ihrer Anerkennung absolviert hat. Im Falle des sogenannten Rabbit Pyrogen Test (RPT) dauerte die Entwicklung bis zu einer ersten Alternativmethode mit Pfeilschwanzkrebsen (LAL) sogar rund 28 Jahre. Eine zweite Alternative mit menschlichem Vollblut (MAT-Test) brauchte ebenfalls 15 Jahre seit ihrer Entdeckung für die Aufnahme ins Europäische Arzneibuch.

Den Rabbit Pyrogen Test (RPT) gibt es seit den 1940er-Jahren. Der Test im Kaninchen zählt zu den gesetzlich vorgeschriebenen (regulatorischen) Tierversuchen und ist ein wichtiger Bestandteil der Arzneimittelprüfung. Er dient als Sicherheitstest um festzustellen, ob bestimmte Substanzen in Arzneimitteln Fieber erzeugen. In Medikamenten könnten diese fiebererzeugenden Mittel (Pyrogene) bei Patient*innen zu schweren bis lebensbedrohlichen Nebenwirkungen führen. Ob Bakterien, Viren, Parasiten oder chemischer/biochemischer Natur – der Test ist in der Lage, die gesamte Bandbreite der Pyrogene nachzuweisen. 1960 wurde der RPT daher in die behördlichen Richtlinien aufgenommen. Allerdings hatte er einen Nachteil in Bezug auf die Übertragbarkeit: Nicht alle beim Menschen fieberauslösenden Substanzen erzeugten auch beim Kaninchen Fieber.

Die Zahl der Tierversuche am Kaninchen im Pyrogentest in Deutschland lag in den vergangenen Jahren zwischen 6.000 und 7.000. 2014 betrug die Zahl der Tiere in Deutschland 7.259. Im Jahr 2019 waren es 6.457. Die Zahlen in den 28 EU-Staaten lagen 2015 bei 46.543. 2017 wurden Pyrogentests an 35.172 Kaninchen durchgeführt.

Blut von Pfeilschwanzkrebsen 

Ende der 1960er-Jahre entwickelten Wissenschaftler*innen als Alternativmethode den sogenannten Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test (LAL). Amöbozyten sind Blutkörperchen des Pfeilschwanzkrebses, die Endotoxine, also hitzestabile Bestandteile von Bakterien, erkennen. Endotoxine gelten als wichtigste Gruppe der Pyrogene. Sie sind für die meisten Fieberreaktion bei Infektionen mitverantwortlich. Die Reaktionen reichen von einer einfachen Erhöhung der Temperatur bis hin zum Endotoxin-Schock mit hohem Fieber und Blutgerinnung mit Todesfolge. Der LAL gilt als sensitiver und zuverlässiger als der Test am Kaninchen wenn es darum geht, Endotoxine zu entdecken. Er ist allerdings anfälliger für Störungen und weist nicht alle Pyrogene nach, zu denen unter anderem Steroide, Weichmacher oder Antigen-Antikörper-Komplexe gehören.

Ein Tierpfleger nimmt einen Gesundheitscheck bei einem weißen Kaninchen vor.
 Foto: Understanding Animal Research

Daher muss bei jedem Arzneimittel der Pyrogentest am Kaninchen erst einmal parallel durchgeführt werden um sicherzustellen, dass der LAL-Test geeignet ist. Zudem sind einige Arten der Pfeilschwanzkrebse inzwischen als gefährdete Spezies eingeordnet. Die Bedrohung der Krebsart steht jedoch nicht in Zusammenhang mit Pyrogentests, könnte aber mittelfristig die Arzneimittelsicherheit gefährden.

Seit diesem Jahr gibt es einen Nachtrag im Europäischen Arzneibuch für LAL-Tests, die synthetisch hergestellt sind (rFC – rekombinanter Faktor-C-Test). Ziel ist es, damit die Pfeilschwanzkrebse zu schützen und komplett auf Tierversuche und tierische Substanzen bei dem Test zu verzichten.

Erste Versuche mit weißen Blutkörperchen

1982, zwei Jahre nach der Entdeckung des Interleukin-1 durch Charles Dinarello, wurde ein Pyrogentest auf der Basis von menschlichen weißen Blutkörperchen (Leukozyten) in Betracht gezogen. Schlussendlich erwies sich diese Methode aber als zu umständlich. Forschenden gelang es nicht, sie zu standardisieren, was bei Sicherheitstests von großer Bedeutung ist.

1995 schlugen Wissenschaftler*innen der Universität Konstanz in Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut erstmalig vor, mit menschlichem Blut, das alle im Körper vorkommenden Bestandteil enthält (Vollblut), zu testen. Es dauerte weitere 15 Jahre bis der sogenannte Monozyten-Aktivierungstest (MAT) mit menschlichem Blut 2010 Eingang ins europäische Arzneibuch (EP) fand. Mit Hilfe menschlicher Blutzellen simulieren Wissenschaftler*innen die Fieberreaktion in vitro – also im Reagenzglas. 2015 kamen zahlreiche sogenannte MAT-Kits auf den Markt, um den MAT-Test hoch standardisiert durchführen zu können. Pharmazeutische Hersteller setzten diese vermehrt ein. Die Zahl der Versuche an Kaninchen sank daraufhin kurzzeitig für 2016 von fast 7.000 auf 347.

Auflagen für die Pharmaunternehmen

Durch die Änderungen im Tierschutzgesetz im Jahr 2013 haben sich die rechtlichen Bedingungen, den RPT weiter zu genehmigen, verändert. Sofern vorhanden muss laut Tierschutzgesetz auf alternative Methoden ausgewichen werden. Eine neue Genehmigung für den Pyrogentest am Kaninchen erhalten Forschende daher nur, wenn nachgewiesen ist, dass der Test mit menschlichem Blut für das jeweilige Arzneimittel nicht funktioniert. Die Laufzeit einer solchen Genehmigung beträgt fünf Jahre und kann danach noch einmal verlängert werden. 2018 wurde solch eine Verlängerung der Genehmigung für den RPT zum ersten Mal abgelehnt. Anwender*innen haben nun die Auflage, für jedes Arzneimittel aufzuzeigen, wie sich die Prüfung auf das MAT-Verfahren umstellen lässt.

Seit 2013 sind somit nun alle Unternehmen, die Pyrogentests durchführen, dazu aufgefordert auf die tierfreie Alternative umzusteigen. Verlängerungen der Genehmigung des RPT werden nur noch mit Auflagen zur Umstellung auf den MAT erteilt. Für diesen Schritt haben die Arzneimittelhersteller fünf Jahre Zeit.

Der Pyrogentest am Kaninchen bleibt vorerst im Europäischen Arzneibuch erhalten. Es gibt immer noch Arzneimittel, bei denen der Test mit menschlichem Blut weniger gut bis gar nicht wirkt. Dennoch lassen sich durch den MAT und den synthetischen LAL-Test die Zahl der Kaninchen für den Pyrogentest drastisch reduzieren. In einer Sitzung im Juni 2021 hat das EDQM (European Directorate for the Quality of Medicines) bekanntgegeben, dass es Pläne gibt, den RPT in den kommenden fünf Jahren komplett im Arzneibuch zu ersetzen.

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