Die Veterinärin Dr. Julia Stubenbord hat seit Ende Mai ihre neue Stelle als Landestierschutzbeauftragte in Baden-Württemberg angetreten. Im Interview mit „Tierversuche verstehen“ spricht die 41-Jährige über ihre Ziele beim Tierschutz im forschungsstarken Bundesland. Unter anderem will sie ein Zentrum einrichten, das die Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen überprüft.
Frau Dr. Stubenbord, Sie sind die neue Landesbeauftrage für den Tierschutz in Baden-Württemberg. Einmal nur die Wissenschaft betrachtend: Wo sehen Sie Ihre Verantwortung und wie bringen Sie sich ein?
Dr. Julia Stubenbord: Die Einrichtung der Stabsstelle für Tierschutz in Baden-Württemberg unterstreicht den Stellenwert des Tierschutzes, der ein Staatsziel ist. Die Stabsstelle hat und wird auch in Zukunft zu Fragen wie Unterbringung von Versuchstieren, optimale Versorgung mit Schmerzmittel je nach Eingriffstyp sowie Umgang mit Nachzuchten Stellung nehmen, um alle Akteure für diese Themen zu sensibilisieren.
Wichtig erscheint mir, dass der Tierschutz in Forschung und Lehre jenseits gesetzlicher Vorschriften den Experimentatoren eine moralische Verantwortung ist und wird. Ein weiterer Ansatzpunkt sollte die Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen sein. Hier sollten größere Anreize mit mehr Forschungsgeldern von Bund und Ländern geschaffen werden, Alternativmethoden zu entwickeln und auf ihren Nutzen hin zu evaluieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie die Wissenschaft selbst Lösungen findet, mit der Vielzahl an häufig nicht veröffentlichten Studien mit negativen Ergebnissen umzugehen. Gerade in der präklinischen Forschung und explorativen Studien wären beispielsweise fundierte Metanalysen wichtig, um die Zahl der Tierversuche zu verringern.
Haben Sie als Tierärztin selbst Tierversuche durchgeführt? Welchen Stellenwert hat für Sie die biomedizinische Forschung in Baden-Württemberg?
Stubenbord: Vor 20 Jahren beinhaltete die Ausbildung im Tiermedizinstudium Tierversuche. Tierversuche in der Lehre sind didaktisch nicht mehr erforderlich. Tierversuche für Lehre und Forschung müssen kontinuierlich auf ihre Unerlässlichkeit geprüft und diskutiert werden. So planen z.B. die Niederlande einen Ausstieg aus den Tierversuchen bis zum Jahr 2025 für Substanzprüfungen.
Baden-Württemberg könnte mit dem Forschungspotential der Institute und Universitäten Vorreiter bei der Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen werden.
Wie können Sie Wissenschaftler dabei unterstützen, das 3R-Prinzip umzusetzen und Tierversuche sowie die Belastungen für Tiere zu reduzieren?
Stubenbord: Wir verfolgen hier verschiedene Ansätze. Im Auftrag des Landestierschutzbeirates Baden-Württemberg erfolgte durch die Stabstelle eine Abfrage an eine Reihe von Forschungseinrichtungen. Anlass hierzu sind Überlegungen in Baden-Württemberg, ein Zentrum für CAMARADES (Collaborative Approach to Meta-Analysis and Reviews of Animal Data from Experiments/zu Deutsch: Zusammenarbeit bei der Meta-Analyse von Daten aus Tierversuchen) an einer Hochschule analog zum Deutschen Cochrane-Zentrum einzurichten.
Ein solches Zentrum könnte die Kapazität auf dem Gebiet der Erforschung der Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen erhöhen und damit einen Beitrag zur Validität tierexperimenteller Forschung und zur Umsetzung der 3R leisten. Die Abfrage ergab unterschiedliche Einschätzungen der Einrichtungen, welchen Beitrag ein solches Zentrum zu den 3R erzielen kann, welche Organisationsform ein solches Zentrum aufweisen sollte und welche fachliche sowie personelle Ausstattung für ein solches Zentrum benötigt werden würde.
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