Kein Herz aus Stein

Wissenschaftler des Max-Delbrück-Centrums (MDC) in Berlin haben sich der Kritik von Tierschützern gestellt und die Demonstranten zum Gespräch eingeladen. „Lassen Sie uns reden“, „Fragen Sie mich“, „Gesprächsbereit“ stand auf Zetteln der Mitarbeiter des Max-Delbrück-Centrums (MDC) in Berlin, die sie den Demonstranten entgegenhielten. Die Tierversuchsgegner waren zum MDC nach Berlin gereist, um dem Team von Prof. Dr. Gary Lewin das „Herz aus Stein“, einen selbsterdachten Negativpreis, zu verleihen. Der Einladung zur sachlichen Diskussion im MDC-Gebäude folgten die Demonstranten allerdings nicht.

Foto: Martin Ballaschk (MDC)

Auslöser für das Zusammentreffen war die seit März laufende online-Kampagne „Herz aus Stein“. Verliehen werden sollte der Negativpreis an den „schlimmsten Tierversuch des Jahres 2017“. Eine Auszeichnung, die Lewin und sein Team weder annahmen noch so hinnahmen. „Diese Art der Kritik ist nicht akzeptabel“, sagte Prof. Dr. Martin Lohse, Wissenschaftlicher Vorstand des MDC, zu der Kampagne. „Davon distanzieren wir uns als Wissenschaftler und als gesamte Institution.“

Anstatt sich jedoch der Situation zu entziehen, stellten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MDCs schützend vor ihren Kollegen. Sie begegneten der Kritik der Demonstranten und baten zu einer Diskussion in die Mensa des Forschungsinstituts.

Bei grundsätzlich gegensätzlichen Ansichten Gesprächsbedarf

„Neue Therapiemöglichkeiten zu entdecken und zu erforschen, entspricht dem staatlichen und gesellschaftlichen Auftrag von Wissenschaft“, betont Lohse anlässlich der Demonstration. In diesem Zusammenhang sind Tierversuche notwendig. Die Studie von Lewin untersucht einen bisher völlig unbekannten Stoffwechselprozess bei Nacktmullen. Bei Sauerstoffmangel können Nacktmulle die Energieversorgung lebenswichtiger Organe durch Fruchtzucker (Fruktose) aufrechterhalten. Die Forscher haben das Ziel, das Absterben von Zellen bei Schlaganfällen oder Herzinfarkten zu verhindern, und somit Patienten das Leben zu retten.

Das seien alles vorgeschobene Gründe, um „reine Neugierforschung ohne jeglichen Bezug zum kranken Menschen“ betreiben zu können, behaupten dagegen die Tierversuchsgegner.

Foto: Martin Ballaschk (MDC)

Genau genommen, standen die Demonstranten jedoch am falschen Ort. Die von den Tierversuchsgegnern kritisierten Tierversuche erfolgten an der Universität von Ilinois in Chicago (USA). Gleichwohl ist das MDC über eine Partnerschaft mit Chicago verbunden. Denn die Studie, die im Frühjahr 2017 in dem renommierten Fachmagazin „Science“ publiziert wurde, ist eine Kooperation zwischen Laboren in Chicago, Berlin, Pretoria und Cambridge. Die Versuche, wie lange Nacktmulle und Mäuse mit wenig oder ohne Sauerstoff auskommen können, fanden an der Universität von Illinois in Chicago statt. Die Gruppe am MDC klärte die molekularen Mechanismen auf, die den Nacktmullen das Überleben ermöglichen. Hierfür töteten die Forscher innerhalb der vergangenen sieben Jahre insgesamt 14 Tiere.

Die Mitarbeiter des MDC ließen sich nicht einschüchtern und entgegneten mit einem Angebot zum Gespräch. Das aktive Auftreten der Forscherinnen und Forscher des MDCs macht deutlich, dass Wissenschaftskommunikation auch gegenüber populistischen Kampagnen nicht machtlos ist.

Weiterführende Links:

Interview zu den Hintergründen der MDC-Kommunikation:
https://www.wissenschaftskommunikation.de/wenn-forschungskritik-persoenlich-wird-15095/

Weiter gehender Bericht:
https://www.jmwiarda.de/2018/04/16/seid-willkommen-tiersch%C3%BCtzer/

Fragen und Antworten zur Nacktmullforschung am MDC:
https://www.mdc-berlin.de/de/faq-nacktmullforschung

Pressemitteilung mit Details zu den hier beschriebenen Forschungsergebnissen:
https://www.mdc-berlin.de/de/news/2017/20170420-wie-nacktmulle-sauerstoffmangel-trotzen_0

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