Schweineherzen in Paviane verpflanzt
Einem internationalen Team um Forscher des LMU-Klinikums in München ist es erstmals gelungen, Schweineherzen langfristig in Paviane zu verpflanzen. Die Pavianherzen wurden dabei durch Herzen von genetisch veränderten Schweinen ersetzt. Damit zeigten die Forscher zum ersten Mal, dass die Übertragung eines Organs über Artgrenzen hinweg möglich ist und das übertragene Organ die Funktion übernimmt. In Zukunft könnten davon möglicherweise Patienten profitieren, die vergeblich auf ein menschliches Spenderorgan warten.
Könnte man den Mangel an lebensnotwendigen Spenderorganen mindern, wenn man Organe aus Tieren in Menschen verpflanzen könnte? Diese Frage beschäftigt Transplantationsmediziner schon lange. Die zu ihrer Beantwortung erforderlichen Forschungsarbeiten sind jedoch aufwändig und hatten lange einen ungewissem Ausgang: Kann so eine Xenotransplantation erfolgreich sein? Kann also ein Organ aus einem artfremden Organismus (die grieschische Vorsilbe xeno bedeutet „fremd“) ein krankes oder zerstörtes Organ in einem Menschen ersetzen?
Nun ist dies einem Forscherteam um den bekannten Herzchirurgen und Transplantationspezialisten Bruno Reichart im Tierversuch mit Pavianen gelungen: Zwei der Versuchstiere lebten nach einer Herztransplantation mehr als 6 Monate mit Schweineherzen. Damit ist jetzt ein entscheidender Zwischenschritt zur Anwendung bei Menschen gelungen, denn das Überleben der Versuchstiere über mindestens 3 Monate ist laut einem Gutachten der Internationalen Gesellschaft für Herz- und Lungentransplantation (ISHLT) eine wichtige Voraussetzungen für Tests am Menschen.
„Das war ein Ersatz des Herzens, das ist das Neue!“, sagt Bruno Reichart. Bisher beschränkten sich die Versuche meistens darauf, Organe von Schweinen in die Bauchhöle von Affen zu verpflanzen, um zunächst grundsätzliche Fragen zu klären und insbesondere die radikale Abstoßungsreaktion in den Griff zu bekommen, die bei der Transplantation eines Organs aus einer anderen Tierart im Körper des Empfängers ausgelöst wird. Paviane eignen sich für diese Versuche, da sie groß genug sind, um ein Schweineherz aufzunehmen.
Auch Rene Tolba, Direktor am Institut für Versuchstierkunde an der RWTH Aachen und nicht an der Studie beteiligt, zeigt sich beeindruckt: „Die Ergebnisse der Studie sind klinisch hochrelevant, da es sich ja um eine orthotope Transplantation handelt. Das Schweineherz hat also das Herz der Paviane vollständig ersetzt und eine lebenserhaltende Funktion bis zu 195 Tagen gezeigt. Dies ist sehr viel aufwändiger als eine heterotope Transplantation, bei der ein Herztransplantat zum Beispiel im Bauchraum an Gefäße angeschlossen wird und einfach ‚mitläuft‘, aber keine lebenserhaltende Funktion aufweisen muss“, sagte er dem Journalisten-Netzwerk Science Media Center (SMC).
Für den Durchbruch mussten die Autoren der Studie technisch neue Wege gehen und während der Versuche mehrfach ihre Methodik anpassen. Die Fehlversuche, aus denen die Forschenden von Mal zu Mal ihre Verbesserungsideen ableiteten, werden in der Studie beschrieben.
Erste Verbesserung: Bisher wurden die Schweineherzen nach der Entnahme einmal mit Lösung durchströmt und dann nur auf Eis gelagert, bis sie den Pavianen verpflanzt wurden. Das entspricht der gängigen Technik bei klinischen Herztransplantationen. Doch vor kurzem erkannten die Wissenschaftler, dass Schweineherzen, wie Reichart erklärt, „nach der Entnahme schwieriger zu erhalten sind als Menschenherzen.“ Bei dem neuen, erfolgreichen Versuch wurden die Organe „bei acht Grad Kälte andauernd, während der Implantation alle fünfzehn Minuten mit Sauerstoff und einer speziellen Nährlösung versorgt “ Und zwar über eine spezielle Herz-Lungen-Maschine von Experten der Universität im schwedischen Lund.
Die zweite Verbesserung: Die Forscher erkannten, dass die Spender-Herzen entsprechend der Größe von Schweinen wachsen und im Brustkorb eines Pavians rasch zu groß werden. Dann wird die benachbarte Leber gestaut und versagt. Doch durch die Gabe eines zusätzlichen Medikaments (Rapamycin) ließ sich das Herzwachstum stoppen.
Menschen sind deutlich größer als Anubispaviane, daher könnte das Herzwachstum beim Menschen weniger problematisch sein, wie Gustav Steinhoff von der Klinik für Herzchirurgie in Rostock dem SMC erklärt: „Die Problematik der Kontrolle des Größenwachstums ist auch im Menschen medikamentös über Blutdruckhemmer oder Wachstumshemmer wie Rapamycin angehbar. Allerdings besteht bei erwachsenen Patienten eine bessere Kongruenz zur Größe der Schweineherzen als beim Pavian, sodass diese Problematik nicht so stark auftreten könnte.“ Offen sei allerdings die Frage des Mechanismus der veränderten Wachstumskontrolle des Schweineherzens im xenogenen Empfänger, der vor einer klinischen Anwendung geklärt werden sollte, findet Steinhoff.
Aufgrund dieser Verbesserungsrunden in der Herangehensweise überlebten von insgesamt 14 Pavianen zwei Tiere über mehr als sechs Monate. Sie wurden dann dem Versuchsplan gemäß getötet.
Das Problem der Abstoßungsreaktion hatten die Forschenden schon zuvor im Griff:
Das Erbgut der Spenderschweine haben die Experten um Eckhard Wolf vom Genzentrum der LMU zusammen mit einem amerikanischen Team dreifach verändert. Die Modifikationen zielen darauf ab, die Blutgerinnung zu modulieren und die heftigen Abstoßungsreaktionen zu unterdrücken, die ein Empfänger gegen Organe aus einer anderen Tierart entwickelt. Erstaunlicherweise brauchten die Paviane dann nach der Transplantation nicht jene immununterdrückenden Medikamente, die nach der Transplantation menschlicher Spenderorgane verabreicht werden müssen.
„Das wäre ein großer Vorteil der Xenotransplantation“, sagt Prof. Reichart. Denn diese immununterdrückenden Medikamente zerstörten in einem bedeutenden Prozentsatz auf Dauer die Nieren der Empfänger. Die Paviane benötigten lediglich einen Antikörper und ein weiteres Medikament, die ihr Immunsystem dämpfen.
Ein weiteres mögliches Problem bei der Xenotransplantation aus Schweinen, das in der vorliegenden Studie jedoch nicht weiter untersucht wurde, sind spezielle Viren, die in den Schweineorganen vorkommen. Die sogenannten Porcinen Endogenen Retroviren (PERVs) sind in die Schweine-DNA integriert und werden an alle Nachkommen vererbt. Unklar ist, ob diese Viren Schäden bei Menschen anrichten können.
Angelika Schnieke von der Technischen Universität München, nicht an dieser Studie beteiligt, hält das Risiko für überschaubar, wie sie im März 2018 bei einer öffentlichen Debatte sagte: „Eine Infektion des menschlichen Empfängers durch PERVs ist eine eher theoretische Möglichkeit, die bisher nur in Zellkultur nachgewiesen werden konnte. Es ist bisher bei keiner Transplantation von Gewebe zu einer klinischen Infektion durch PERVs gekommen.“ Das Risiko müsse dennoch eingeschätzt und bewertet werden.
Die Wissenschaftler wollen jetzt daran arbeiten, die Spenderherzen und das Procedere der Xenotransplantation weiter zu verbessern, um die mikrobiologische Sicherheit zu gewährleisten. Wie bisher werden auch die künftigen Studien finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
„Eine erste klinische Indikation für eine solche Xenotransplantation könnte die sogenannte ‚Bridge to Transplantation‘ sein. Dabei würde einem kritisch herzkranken Patienten, der auf ein Spenderorgan wartet, eine Transplantation eines Schweineherzen als Überbrückung angeboten.“, nannte Rene Tolba mögliche zukünftige Einsatzgebiete.
Weiterführende Links:
Originalpublikation:
http://dx.doi.org/10.1038/s41586-018-0765-z
Begleitender Kommentar im Fachmagazin Nature mit Schaubild:
https://www.nature.com/articles/d41586-018-07419-5
Ausführlicher Hintergrundartikel zur „Zukunft der Organtransplantation“:
Forschungsverbund „TRR127“ zu Xenotransplantation:
http://www.klinikum.uni-muenchen.de/SFB-TRR-127/de/index.html
Fragen rund um das Thema Organspende hat das Team von „Die Debatte“ mit Experten (u.a. Bruno Reichart) am 23.03.2018 im Zeiss-Großplanetarium in Berlin diskutiert:
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