Wissenschaftliche Organisationen in Deutschland und Europa äußerten sich durchweg positiv über die Antwort der EU-Kommission zu den Forderungen Europäischen Bürgerinitiative „Rettet tierversuchsfreie Kosmetika“. Darin hatte die Kommission einen Ausstiegsplan mit einem starren Zieldatum für das Ende von Tierversuchen abgelehnt. Die Kommission wies erneut darauf hin, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar sei, wann wissenschaftlich fundierte Methoden verfügbar sein werden, die bestimmte Tierversuche in der Forschung ersetzen können. Vor allem sieht sie gesetzgebende Maßnahmen nicht als geeignetes Mittel an, um Reduktionsziele fest zu legen.
Zur ihrer Sichtweise und ihren Absichten hatte die EU mitgeteilt: „Die Kommission teilt zwar nicht die Auffassung, dass ein Legislativvorschlag erforderlich ist, um das Ziel der schrittweisen Abschaffung von Tierversuchen in Forschung, Ausbildung und Lehre zu erreichen.“ Sie werde aber die Entwicklung alternativer Ansätze mit angemessener Finanzierung weiterhin nachdrücklich unterstützen.
Die Initiative Tierversuche verstehen sieht in der Stellungnahme der EU-Kommission einen faktenbasierten und verantwortungsbewussten Umgang mit Tierversuchen. „Die EU hat sich intensiv mit den Forderungen der Bürgerinitiative auseinandergesetzt. Sie stellt fest, dass Tierversuche in der Grundlagenforschung auf absehbare Zeit nicht ersetzbar sind. Ein fester Termin für den Ausstieg aus Tierversuchen in Europa hätte unabsehbare Folgen für die Gewinnung von grundlegenden Erkenntnissen gehabt. Er würde den Wissenschafts-Standort Europa zudem nachhaltig schwächen. Dort, wo es sinnvoll und möglich ist, wird nach zeitnahen Lösungen gesucht, aber dort wo es noch keine Alternativen gibt, hat die EU klare Position bezogen“, sagte die stellvertretende Sprecherin der Initiative Tierversuche verstehen, Prof. Olivia Masseck. Sie hatte sich bereits in einem Gast-Kommentar kritisch zu den Forderungen der Bürgerinitiative geäußert.
Der Europäische Rat für das Gehirn (European Brain Council, EBC) begrüßt insbesondere die Überlegung der Europäischen Kommission, „dass ein Legislativvorschlag nicht der richtige Weg zur schrittweisen Abschaffung aller Tierversuche ist.“ Der EBC ist ein Netz von Hauptakteuren in der Gehirnforschung, dessen Mitglieder wissenschaftliche Gesellschaften, Patientenorganisationen, Berufsverbände und Industriepartner sind.
„Tiermodelle sind für die Bewertung der Sicherheit, Toxizität und Wirksamkeit neuartiger Behandlungen unerlässlich, bevor sie am Menschen getestet werden können“, heißt es in der Stellungnahme des EBC. „Da es keine wissenschaftlich fundierten Methoden gibt, die bestimmte Tierversuche ersetzen können, hätte die schrittweise Abschaffung der Tierversuche in der medizinischen Forschung schwerwiegende Folgen. Sie würde sich auf das Streben nach einer Verbesserung der Lebensqualität durch viele Bürger auswirken, die von neurologischen und psychischen Erkrankungen des Gehirns betroffen sind.“
Während Tiere in der Hirnforschung nach wie vor von zentraler Bedeutung seien, begrüßt der EBC die verschiedenen Finanzierungsprogramme, die die Europäische Kommission vorschlägt, um die Entwicklung, Validierung und Umsetzung alternativer oder ergänzender Methoden zu erleichtern. „Der EBC ist der Ansicht, dass strategische Investitionen in diesen Bereichen Europa in die Lage versetzen werden, seine Position als weltweit führendes Land in der Hirnforschung zu behaupten und gleichzeitig die höchsten ethischen Standards zu wahren“, so der EBC.
Die gemeinnützige Interessenorganisation EARA (European Animal Research Organisation) führte die Stellungnahme der EU-Kommission auf die engagierte Haltung der europäischen Forschungsorganisationen zurück. EARA-Exekutivdirektor Kirk Leech dankte der biomedizinischen Gemeinschaft „für ihre wirksame Kampagne zur Warnung vor den Auswirkungen der Europäischen Bürgerinitiative“.
Die League of European Research Universities (LERU) zeigte sich „der festen Überzeugung, dass tierversuchsfreie Methoden in der wissenschaftlichen Forschung in Zukunft eine bedeutende und zunehmend wichtigere Rolle spielen werden“, sagte Kurt Deketelaere, Generalsekretär der LERU. Die LERU ist ein Netzwerk forschungsintensiver Universitäten. Der Zusammenschluss zeigte sich zudem darüber erfreut, „dass die Europäische Kommission ihre derzeitigen Grenzen und die Notwendigkeit weiterer und koordinierter Maßnahmen zur Entwicklung dieser Technologien anerkannt hat.“
Unternehmen aus der pharmazeutischen Industrie setzen sich für die wissenschaftlich fundierte schrittweise Einführung von Methoden („phase-in“) ein, die den Einsatz von Tieren für wissenschaftliche Zwecke ersetzen, sowie für die Abschaffung von Tierversuchen, die veraltet oder überflüssig sind. Wie der Europäische Verband der Pharmazeutischen Industrie und ihrer Verbände (EFPIA) zu der Entscheidung der EU mitteilte, seien die Mitglieder „bestrebt, durch ein breites Spektrum praktischer Aktivitäten die Entwicklung, Einführung und Förderung von tierversuchsfreien Technologien und neuen Methoden voranzutreiben, damit diese schrittweise eingeführt werden können, sobald dies wissenschaftlich möglich ist“. EFPIA und seine Mitglieder haben Berichte veröffentlicht, die einen umfassenden Überblick über ihre Maßnahmen zur Umsetzung der Tierschutzgrundsätze und der 3R geben.
Die Tierrechtsorganisation Peta begrüßte „die positiven Maßnahmen, um die Verwendung von Tieren in Experimenten und Chemikalientests zu ersetzen“. Positiv bewerteten die Beteiligten der Bürgerinitiative, neben Peta unter anderem auch das Pharmaunternehmen Unilever, auch das längerfristige Vorhaben, „die Verwendung von Tieren in Forschung und Lehre zu verringern und schrittweise zu beenden“. Die Petenten bemängeln allerdings, dass die Überschneidung der Kosmetik-Verordnung und der REACH-Verordnung vorerst nicht überarbeitet wird.
Der Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ sieht es als positiv an, „dass die Kommission einen konkreten EU-weiten Ausstiegsplan aus den Tierversuchen ins Leben rufen will.“ Dieser Strategieplan umfasse „die Abschaffung aller vorgeschriebenen Tierversuche für Sicherheitstestungen von Industriechemikalien, Pestiziden, Bioziden sowie Human- und Tierarzneimittel“. Und: „Auch das längerfristige Vorhaben, die Verwendung von Tieren in Forschung und Lehre zu verringern und schrittweise zu beenden, bewertet Ärzte gegen Tierversuche grundsätzlich positiv.“