In Deutschland wurden 2019 geringfügig mehr Tiere in der Forschung eingesetzt als im Jahr zuvor. Ihre Zahl stieg um 2,7 Prozent auf 2.902.348 Tiere. Im Jahr 2018 waren noch 2.825.066 Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken eingesetzt worden. Das geht aus einer Analyse der Initiative Tierversuche verstehen hervor. Sie hat die gerade veröffentlichten Versuchstierzahlen 2019 des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) ausgewertet. Die Zahlen aus 2019 zeigen noch nicht die Auswirkungen der aktuellen Corona-Forschung, etwa zur Entwicklung von Impfstoffen. Dieser Einfluss der Pandemie wird sich erst in der Statistik für 2020 niederschlagen.
In die veröffentlichte Zahl der Versuchstiere eingeschlossen sind jene 2.202.592 Tiere (2018: 2.068.813), die in Tierversuchen verwendet wurden, sowie 699.756 Tiere (2018: 738.484), die ohne Versuchseingriffe für wissenschaftliche Zwecke getötet wurden, zum Beispiel zur Entnahme von Organen, Gewebeteilen und Zellen zur Herstellung von Zellkulturen und anderen Alternativmethoden.
Zahlen im Bereich der biomedizinischen Forschung rückläufig
Hinter den jetzt veröffentlichten Zahlen steht eine Verschiebung der Schwerpunkte bei den Versuchszwecken im Vergleich zum Vorjahr. „Während die Gesamtzahl der Versuchstiere leicht gestiegen ist, können wir im Bereich der biomedizinischen Forschung einen Rückgang der Zahlen erkennen“, sagt Prof. Stefan Treue, Sprecher der Initiative Tierversuche verstehen. Mehr Tiere seien hingegen für die Arterhaltung von Zuchten und für den Umweltschutz eingesetzt worden, sagte Treue. Hier stieg die Zahl mit 166.502 Tieren auf 6% (2018: 22.377 Tiere, 1%). Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Fische, die vor allem bei Versuchen zur Verbesserung von Fischtreppen eingesetzt wurden. Die Wissenschaft forscht bereits an Alternativen zu lebenden Testfischen: Ein Team der Universität Magdeburg entwickelt derzeit Roboterfische, die die Testfische ersetzen sollen.
Auswirkung der Corona-Pandemie noch nicht erfasst
Die Entwicklung der Versuchstierzahlen während der Corona-Pandemie wird erst bei den Versuchstierzahlen 2020 erfasst, die Ende nächsten Jahres veröffentlicht werden. Tiere wurden hier unter anderem bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten eingesetzt. Gleichzeitig stand ein großer Teil der Forschung während des ersten Lockdowns weitgehend still; dies kann sich auf die Versuchstierzahlen auswirken.
Für regulatorische Zwecke, also etwa für gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitstests von Medikamenten, wurden 474.902 Tiere (16 %) eingesetzt. Damit setzt sich hier ein Abwärtstrend fort.
Mäuse, Ratten und Fische sind mit einem Anteil von knapp 92 % weiterhin die am weitaus häufigsten eingesetzten Versuchstiere. Bei den Mäusen ist ein Rückgang auf 2.001.309 Tiere (2018: 2.103.419) zu verzeichnen. Mit einer Gesamtzahl von 3443 Tieren hat die Verwendung nicht-humaner Primaten (Affen und Halbaffen) 2019 im Vergleich zum Vorjahr (3.324) leicht zugenommen. Dies kommt zustande durch den Einsatz von Primaten für gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsprüfungen von potentiellen Medikamenten und anderen Substanzen. Im Vergleich zum Vorjahr wurden mit 3527 Tieren knapp 12 % weniger Hunde, jedoch 25 % mehr Katzen (954 Tiere) eingesetzt (2018: 3.993 Hunde, 765 Katzen).
Versuchstierzahlen trotz steigender Forschungsförderung stabil
Treue betonte, dass die Forschungsförderung im Bereich Gesundheitsforschung in den vergangenen zehn Jahren um fast 80 % gestiegen sei, während sich die Zahl der Versuchstiere kaum verändert habe. Darin zeige sich der Erfolg der 3R (Reduce, Replace, Refine)-Bemühungen der Forschung.
Die Belastung von Versuchstieren wird seit 2014 erhoben. Der Anteil der Versuchstiere, die nur geringen Belastungen ausgesetzt waren, erreichte 2019 einen neuen Höchstwert. So waren 2019 65,1 % der Versuche mit nur geringen Belastungen verbunden (2018: 61 %). 23,6 % der Versuche gingen mit mittleren Belastungen einher, 5,1 % der Tierversuche mit schweren Belastungen. Rund 6,2 % der Tiere wurden unter Vollnarkose getötet, zum Beispiel zur Organ- und Gewebeentnahme, auch für Zellkulturen, also die Entwicklung und Nutzung von Alternativmethoden.
„Wir sehen, dass die Bemühungen, Tierversuche auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren, greifen. Das international anerkannte 3R-Prinzip leistet hier einen wichtigen Beitrag“, sagt Treue. Die drei Rs stehen für die englischen Begriffe Replace (Vermeiden), Reduce (Verringern), Refine (Verbessern).
Hier finden Sie die Folien der Online-Pressekonferenz vom 9.12.2020 mit Herrn Prof. Treue, Sprecher der Initiative und Herrn Prof. Nobiling, Experte der Universität Heidelberg.