Tierversuche mit Affen stehen im Zentrum teilweise harscher Kritik. Doch für den medizinischen und wissenschaftlichen Fortschritt sind sie unverzichtbar.
1. Warum forschen Wissenschaftler an Affen?
Zum größten Teil werden Affen für die letzten Sicherheitsprüfungen von zukünftigen Medikamenten vor dem Einsatz am Menschen eingesetzt. Darüber hinaus untersuchen Wissenschaftler, die an Affen forschen, wichtige grundlegende Fragen zur Funktion des gesunden Organismus‘ oder sie wollen tödliche beziehungsweise schwer belastende Krankheiten heilen. In diesen Bereichen werden Affen vor allem zur Klärung von Fragen der Infektionsforschung und in den Neurowissenschaften verwendet.
Infektionsforschung
Das komplexe Zusammenspiel des Immunsystems lässt sich nicht durch alternative Methoden wie Zellkulturen oder Computermodelle vollständig abbilden. Wissenschaftler sind daher auf die Forschung an Affen angewiesen, um Krankheiten wie HIV, Grippe oder Polio – auch als Kinderlähmung bekannt – besser zu verstehen und Therapien entwickeln zu können. An den Tieren können sie die Reaktionen des aktiven Immunsystems oder potentielle Impfstoffe genauer untersuchen.
Wie wichtig die Forschung an Affen für die Infektionsforschung ist, zeigen zahlreiche medizinische Erfolge. Zu den prominentesten Beispielen zählt die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Polio-Virus. Dank der seit Jahren konsequent durchgeführten Impfungen, kommt es heute weltweit nur noch zu vereinzelten Ausbrüchen der Krankheit. In Deutschland gilt Polio inzwischen als ausgerottet.
Neurowissenschaften
Das menschliche Gehirn ist sehr komplex aufgebaut und kann von ganz unterschiedlichen Erkrankungen – wie Parkinson, Alzheimer, Schizophrenie oder durch Unfälle verursachte Verletzungen – betroffen sein. Funktionsweise, Aufbau und Abläufe dieses hochkomplexen Organs können vollständig nur im lebenden Organismus abgebildet werden. Durch ihre evolutionäre Nähe zum Menschen eignen sich besonders Affen zur Erforschung vieler Krankheiten. So konnten beispielsweise große Fortschritte in der Entwicklung von Neuroprothesen erreicht und mit der Tiefenhirnstimulation eine Therapie für Parkinsonpatienten entwickelt werden. So ein „Hirnschrittmacher“ kann das für Parkinson typische Zittern lindern.
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2. Wie läuft das Genehmigungsverfahren von Tierversuchen ab?
Wenn die Beantwortung einer wissenschaftlichen Fragestellung zwingend auf Tierversuche angewiesen ist, stellt der Forscher einen Genehmigungsantrag bei der zuständigen Behörde in seinem Bundesland. Für seinen Antrag muss der Wissenschaftler zuvor u. a. prüfen, ob er sein Forschungsziel nicht durch alternative Methoden oder in einer weniger leidensfähigen Tierart erreichen kann.
Aufgaben der Landesbehörden
Die Landesbehörde überprüft, ob der Antrag vollständig, das Forschungsvorhaben bedeutsam, unerlässlich und ethisch vertretbar ist. Dabei wird sie von einer Tierschutzkommission (nach §15 TSchG) unterstützt. Diese setzt sich aus fachkundigen Tierärzten, Ärzten und Wissenschaftlern sowie Mitgliedern von Tierschutzorganisationen zusammen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Genehmigungsbehörde hinsichtlich ethischer und wissenschaftlicher Aspekte zu beraten.
Dabei ist zu beachten, dass viele Genehmigungen nur nach – oft mehrmaligen – Rückfragen und/oder Auflagen zum ursprünglich eingereichten Antrag erfolgen. Diese ergeben sich häufig aufgrund der Empfehlungen der Tierschutzkommission. So kann die Genehmigung beispielsweise an die Bedingung geknüpft sein, dass der Forscher die Zahl der Tiere reduzieren oder eine weniger belastende Methode anwenden muss.
Entscheidung über den Tierversuchsantrag
Erst nach diesem Prozess entscheidet die Behörde über den Tierversuchsantrag. Eine Ablehnung erfolgt, wenn der Antragsteller die Rückfragen nicht zufriedenstellend beantwortet, die Auflagen, beispielsweise aus wissenschaftlichen oder logistischen Gründen, nicht einhalten kann oder andere rechtliche Vorgaben nicht erfüllt sind. Außerdem kann das Expertengremium feststellen, dass der Forscher sein Ziel auch ohne Tierversuche erreichen kann oder das Vorhaben ethisch nicht vertretbar ist.
Die Zahl der endgültig abgelehnten Anträge ist gering, aber nicht weil die Anforderungen gering sind. Vielmehr ist das ist auf den dialogischen Prozess der Antragstellung zurückzuführen, bei dem Anträge nur von erfahrenen Wissenschaftlern gestellt werden und bereits mehrere interne Kontrollschleifen durchlaufen haben, noch bevor sie der Genehmigungsbehörde vorgelegt werden. So stehen sowohl Tierschutzbeauftragte als auch Tierärzte den Wissenschaftlern bereits bei der Antragsstellung beratend zur Seite.
Verbote
Von vornherein verboten sind in Europa Tierversuche zur Entwicklung von Waffen, Kosmetika, Waschmitteln und Tabakwaren. Für diese Zwecke kann kein Antrag genehmigt werden.
3. Welche rechtlichen Vorgaben müssen bei der Forschung an Affen eingehalten werden?
In Deutschland sind Tierversuche seit Jahrzehnten gesetzlich geregelt. Für Primaten gelten seit 2013 besonders strikte Regelungen:
Zusätzlich zur Dokumentation von Herkunft und Verbleib der Tiere müssen bei Primaten (wie auch bei Hunden und Katzen) Aufzeichnungen über die Haltung und Verwendung der Tiere gemacht werden. Dazu muss die Identität und Lebensgeschichte der Tiere genau bekannt sein, die Tiere müssen also auch individuell gekennzeichnet sein.
Jeder Tierversuch, der nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, muss behördlich genehmigt werden und darf nur realisiert werden, wenn es einen wichtigen wissenschaftlichen oder medizinischen Nutzen erkennen lässt.
Genehmigungsantrag
Bevor ein Wissenschaftler einen Tierversuch durchführen darf, muss er in seinem behördlichen Genehmigungsantrag neben z.B. einer ausführlichen Beschreibung des Versuchs und einer Abschätzung der erwartbaren Belastung für die Tiere u. a. zeigen, dass der Tierversuch dem 3R-Prinzip folgt.
Dabei muss er auch wissenschaftlich begründet darlegen, dass der Versuch ethisch vertretbar ist. Er muss außerdem nachweisen, dass seine wissenschaftliche Fragestellung neu ist und noch nicht in einem Tierversuch erprobt wurde. Daneben gibt es Gesetze, die genau regeln, welche Voraussetzungen für einen Tierversuch erfüllt sein müssen. So ist im Tierschutzgesetz u.a. festgelegt, dass Tierversuche nur von Personen durchgeführt und geplant werden dürfen, die die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen können. Der detaillierte Nachweis dieser Qualifikationen ist eine Voraussetzung für die Genehmigung eines Tierversuchs und wird von der zuständigen Behörde überprüft.
Weitere ausführliche Informationen finden Sie auf der Themenseite ‚Tierversuche und Recht‘
4. Leiden Versuchsaffen an Schmerzen?
Das Wohlergehen von Versuchstieren ist gesetzlich verankert. Die Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz der Versuchstiere (EU-Tierversuchsrichtlinie) enthält wissenschaftliche Erkenntnisse dazu, wie die Tiere Schmerzen, Leiden, Ängste und dauerhafte Schäden empfinden.
Tierversuche sind nur dann erlaubt, wenn die Belastung der Tiere bezüglich des Versuchszwecks ethisch vertretbar ist. Die Notwendigkeit und Angemessenheit des geplanten Tierversuchs muss geprüft und gegen die zu erwartende Belastung abgewogen werden. Es gilt: Je höher das Leid, desto größer muss der wissenschaftliche Nutzen sein.
Belastungskatalog
Ein Belastungskatalog hilft Forschern, einen geplanten Versuch auf Leiden, Schäden und Schmerzen für das Versuchstier vorausschauend zu beurteilen. Diese Einschätzung muss um eine detaillierte Überwachung des Tieres im Versuch ergänzt werden. Werden verschiedene Eingriffe kombiniert, ist in der Summe üblicherweise von einer höheren Belastung auszugehen. Auch die Versuchsdauer kann die angenommene Belastung des Tieres wesentlich beeinflussen.
Eingriffe oder Maßnahmen im Rahmen von Tierversuchen werden in vier Schweregrade eingeteilt: geringe, mittlere und schwere Belastung sowie “Keine Wiederherstellung der Lebensfunktion”. Bei dem Großteil der Versuche ensteht nur eine geringe Belastung der Versuchstiere, lediglich 5,5 % der Versuche sind der Kategorie „schwere Belastung“ zuzuordnen.
5. Wie sind Versuche an Affen ethisch zu rechtfertigen?
Jeder Forscher, der einen Tierversuch durchführt, muss bereits in seinem Genehmigungsantrag abwägen, ob sein Vorhaben ethisch vertretbar ist. Zwei Aspekte muss er dabei berücksichtigen: Einerseits die Pflicht, sein Wissen zur Minderung des Leids für Tier und Mensch einzusetzen – indem er z.B. wirksame Medikamente und Therapien für Krankheiten entwickelt oder andere essentielle Erkenntnisse gewinnt. Andererseits aber auch die Pflicht, keinem Lebewesen unnötig Leid zuzufügen. So gerät der Forscher in ein Spannungsverhältnis: Er muss gegen eine dieser Pflichten verstoßen, um der anderen nachkommen zu können. Dieses ethische Dilemma kann nicht gelöst werden, solange Tierversuche nicht vollständig durch alternative Methode ersetzt werden können. Ein Forscher muss daher für jeden einzelnen Tierversuch seine ethische Entscheidung sehr genau abwägen und die Behörde überzeugen.
Weitere ausführliche Informationen finden auf der Themenseite ‚Tierversuche und Ethik‘.
Tierversuche an Affen: Zahlen und Fakten
- 0,1% aller Versuchstiere in Deutschland im Jahr 2016 waren Affen (2.462).
- 17% der Affen nutzten Wissenschaftler für die akademische Forschung. Die restlichen 83% der Tiere wurden von der Industrie gebraucht, beispielsweise für vorgeschriebene Giftigkeits- und Sicherheitsprüfungen.
- Folgende Arten waren 2015 unter den Affen vertreten: Halbaffen (3,2%), Tarmarine und Marmosetten (9,7%), Javaneraffen (85,6%), Rhesusaffen (1,3%) und Paviane (0,2%).
- Verboten sind in Deutschland Tierversuche zur Entwicklung von Waffen, Kosmetika, Waschmitteln und Tabakwaren.
- Außerdem verboten sind Versuche an Menschenaffen – und zwar in der gesamten EU.
Weitere interessante Beiträge und Informationen finden Sie auf der Themenseite ‚Tierversuche mit Affen‘.