Forschungsrealität verzerrt dargestellt

Die Initiative Tierversuche verstehen hat die jüngste Sendung „45 Minuten – Das Schicksal der Laborhunde“ vom 20. November einem Faktencheck unterzogen und ist auf eine voreingenommene Darstellung mit einer Vielzahl von falschen Behauptungen und Unterstellungen gestoßen. So wird ein künstlich hergestelltes Foto als „nachgestellt“ deklariert, angebliche Verhaltensauffälligkeiten der Tiere verzerrt dargestellt und Informationen für eine ausgewogene Auseinandersetzung mit dem Thema ignoriert. Im Beitrag „Illegale Tierversuche – Massive Verstöße in deutschen Versuchslaboren“ auf Tagesschau.de werden die Inhalte wiederholt. Mehrere Forschende und Tierpfleger:innen kündigten gegen den TV-Beitrag Programmbeschwerden an.

Die Fragen, die die NDR-Recherche aufwirft, hätten adäquat gestellt und beantwortet werden können. Viele entscheidende Hintergründe hätten sich durch ernsthafte Recherche darstellen und verständlich erklären lassen können. Bei den von der Initiative Tierversuche verstehen zusammengetragenen Informationen handelt es sich nicht um geheimes Wissen, das den Autor:innen nicht zugänglich gewesen wäre. Insgesamt lässt dies den Schluss zu, dass bei den Autor:innen an einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit dem Thema kein Interesse bestand. Von Qualitätsjournalismus und dem journalistischen Anspruch des öffentlich-rechtlichen Informationsangebots ist die Sendung weit entfernt.

Der Film beschreibt unter anderem die Aufnahme von Beaglen, die in Tierversuchen eingesetzt waren, in Privathaushalten. Einer der Beagle leide unter schmerzhaften epileptischen Anfällen. „In dem Film wird es so dargestellt, als hätte der Hund seine Epilepsie schon aus seinem Leben im Labor mitgebracht. Tatsächlich wurde uns der Hund nach der tierärztlichen Kontrolle als gesund übergeben; er hat die Epilepsie offenbar nachträglich entwickelt. Wir werden auf Prädispositionen, sofern sie vor der Entlassung bekannt sind, hingewiesen“, sagt Marion Weigel, Vorstandsmitglied der Laborbeaglehilfe e.V., die den Fall persönlich kennt. Bei Beaglen sei Epilepsie keine Seltenheit. Ein Zusammenhang mit dem Implantat, welches der Hund in sich trägt, sei reine Mutmaßung. Zur NDR-Sendung haben wir mit der Laborbeaglehilfe e.V. ein Interview geführt.

Der Film thematisiert auch ein angeblich „kläglich klingendes Jaulen“ von Beaglen an einem Forschungsstandort in Bayern. Beagle sind Meutehunde und verständigen sich hierarchiefrei durch Jaulen. Leidende Hunde ziehen sich eher zurück und reduzieren ihre Kommunikation. Das im Beitrag hörbare Bellen bzw. Jaulen deutet daher nicht auf Angst, Stress oder Leiden hin.
Ein Journalist der Ebersberger Zeitung besuchte das im Beitrag gezeigte Labor Anfang 2022 und schrieb darüber einen ausführlichen Bericht, den die NDR-Reportage jedoch nicht berücksichtigt. Dort heißt es unter anderem: „Es gibt standardisiertes Spielzeug wie Schnüffelmatten, Gummiringe, Tennisbälle oder Kauhölzer. Durch die vollverglaste Wand zum Außenbereich dringt Tageslicht herein.“ Die Hundeklappen dorthin seien rund acht Stunden am Tag geöffnet, die Hunde könnten frei entscheiden, ob sie die Zeit draußen oder drinnen verbringen.

Weiterhin verwendet die als Dokumentation bezeichnete Produktion ein künstlich erstelltes Fake-Bild, um angebliche Tierversuche darzustellen, hinterlegt mit sphärischer Musik. Das Bild eines aus der Schnauze blutenden Hundes wird als „nachgestellt“ bezeichnet, ist jedoch nicht auf Grundlage von Versuchen an der Uni Düsseldorf nachgestellt, sondern eine aus unbelegten Annahmen erstellte Illustration – ein Fake.

Forschungsrealität bewusst verzerrt dargestellt

In der Sendung wird auf die angebliche Unwilligkeit der Wissenschaft hingewiesen, sich Fragen der Journalisten zu stellen. Richtig ist hingegen, dass im Vorfeld der Sendung auch die Initiative Tierversuche verstehen in einem etwa zweistündigen Interview zum Thema Tierversuche ausführlich befragt wurde. In den Film aufgenommen wurden die Antworten aber nicht.

Auch hatte das NDR-Team die Gelegenheit, die Universitätsmedizin Rostock zu besuchen, die transparent Einblick in ihre Forschung gab und sich uneingeschränkt den Fragen stellte. Gefilmt und thematisiert wurden allerdings nur Tierversuche. Das Angebot, sich über eingesetzte tierversuchsfreie Methoden, sogenannte Alternativmethoden, zu informieren, lehnte das NDR-Team ab.

Ebenso wird dem Bundeslandwirtschaftsministerium Untätigkeit bei der gesetzlichen Regelung von Tierversuchen vorgeworfen. „Nach Handeln sieht es aber nicht aus, das Ministerium unter Cem Özdemir überarbeitet gerade das Tierschutzgesetz und ausgerechnet der Bereich Tierversuche wird ausgeklammert“, heißt es in dem Film. Korrekt wäre es gewesen, darauf hinzuweisen, dass bei der geplanten Überarbeitung der Bereich Tierversuche nicht ausgeklammert wird, sondern als einziger bereits im Jahr 2021 in enger Abstimmung mit der EU reformiert wurde.

Hier finden Sie das Faktencheck zum Download:

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