Tierversuche sind nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Forschung und damit auch in der Corona-Impfstoffentwicklung. Die beschleunigte Entwicklung und Zulassung der Corona-Impfstoffe hat jedoch für viel Verunsicherung gesorgt. Wurden Tierversuche weggelassen, die sonst vorgeschrieben sind? Wurden unzählige Tiere bei Tierversuchen in der Impfstoffentwicklung getötet? Durch Fehlinterpretationen und unzutreffende Behauptungen halten sich einige Mythen zur Verwendung von Tierversuchen in der Corona-Forschung sehr hartnäckig. Wir haben die 10 häufigsten Corona-Mythen ausgewählt und einen Faktencheck durchgeführt.
Woher stammt die Aussage?
Die Impfstoffentwicklung in der Corona-Pandemie verlief viel schneller als bei herkömmlichen Medikamenten. Bei dem in der USA als erstes getesteten Impfstoff von Moderna hat die Firma zu Beginn der klinischen Studien zu wenig kommuniziert. Die Medien haben dadurch die Falschinformation, dass es keine Tierversuche vor den ersten Studien am Menschen gab, aufgegriffen. Verbreitet und aufrechterhalten wurde die Aussage unter anderem vom Tierrechtsverein PETA.
Corona-Faktencheck
Die Firma Moderna und das National Institute of Health (NIH) hatten den mRNA-Impfstoff an Mäusen getestet, bevor die ersten Menschen geimpft wurden. Die US-Gesundheitsbehörde stellt dies in einer Stellungnahme im März 2020 klar. In den Versuchen wurde nachgewiesen, dass der Impfstoff eine Immunantwort in Form schützender Antikörper auslöst. Darüber hinaus gab es zuvor schon Tierversuche mit der mRNA-Basis dieses Impfstoffes, in denen eine schädliche Wirkung des Impfstoffes ausgeschlossen werden konnte.
Alle Impfstoffentwickler haben sich an eine im März 2020 international harmonisierte Vorgehensweise gehalten. Diese gibt vor, welche Tierversuche in der Corona-Pandemie vor Phase 1 benötigt werden, und welche auch erst danach durchgeführt werden können.
Ausführliche Informationen zu den einzelnen Impfstoffen:
mRNA: https://www.tierversuche-verstehen.de/corona-impfstoff/
Astra-Zeneca: https://www.tierversuche-verstehen.de/corona-impfstoff-bessere-immunitaet-durch-impfung-ueber-die-nase/
Johnson&Johnson: https://www.tierversuche-verstehen.de/corona-impfstoff-von-johnson-johnson-schuetzt-nach-nur-einer-dosis/
Woher stammt die Aussage?
Zum einen wurde für den Moderna-Impfstoff die erste Studie am Menschen, die klinische Phase 1, sehr schnell nach Entdeckung der Virusstruktur durchgeführt. Dies führte zu der Annahme, dass vorher gar keine Tierversuche stattgefunden hatten (→ Mythos 1a). Zum anderen haben Wissenschaftler*innen mehr und mehr Daten aus Tierversuchen zu den Impfstoffen veröffentlicht, während bereits weitere klinische Studien an Menschen durchgeführt wurden.
Corona-Faktencheck
Wie → Mythos 1a bereits erwähnt, ließen die Impfstoff entwickelnden Unternehmen die notwendigen Tierversuche in der Corona-Forschung zur Sicherheit des Impfstoffes vor der ersten Studie mit Menschen durchführen. Durch die ersten Impfungen am Menschen zeigt sich dann, ob der Impfstoff im menschlichen Organismus die gleiche Immunantwort in Form von Antikörpern auslöst. Anschließend können Wissenschaftler*innen weitere Tierversuche z.B. zur Wirksamkeit und Dosisfindung durchführen.
Auch nach der Zulassung eines Medikaments werden ggf. noch weitere Tierversuche und auch Tests am Menschen durchgeführt. Lässt die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) zum Beispiel einen Impfstoff vorerst nur für Erwachsene einer bestimmten Altersgruppe zu, untersuchen Wissenschaftler*innen anschließend weiter, ob auch Kinder damit geimpft werden können. Die Aussage trifft also zu und entspricht der international harmonisierten Vorgehensweise, die im März 2020 als Kompromiss zwischen Dringlichkeit und Ausführlichkeit getroffen wurde.
Woher stammt die Aussage?
Eine Quelle für diesen Mythos ist eine Partei aus Tierschützern. Als Reaktion auf die Veröffentlichung einer Studie mit Rhesusaffen veröffentlichte die Tierschutzpartei in Social Media einen Beitrag, in dem von 2.400 Rhesusaffen und weiteren Tausenden Labortieren die Rede ist, die Wissenschaftler*innen für eine Studie mit dem Corona-Virus infiziert hätten. Nachdem die Falschinformation richtiggestellt wurde, hat die Tierschutzpartei die Zahl der Rhesusaffen aus dem Beitrag gelöscht, von angeblichen „tausenden Labortieren“ ist weiterhin die Rede.
Corona-Faktencheck
In der genannten Veröffentlichung, in der es um die Testung eines potenziellen Medikaments bei einer COVID-19 Erkrankung geht, haben die Forschenden 18 Rhesusaffen verwendet. Das entspricht einer üblichen Gruppengröße für Arzneimitteltests. Für die Impfstoffherstellung sehen die Zahlen ähnlich aus. Für seinen Impfstoff verwendete BioNTech nach Angaben der Arzneimittelbehörden aus Europa (EMA) und England zum Beispiel 21 Rhesusaffen, 96 Mäuse und 204 Ratten, die in den erforderlichen regulatorischen Experimenten eingesetzt wurden. Natürlich gab es zuvor auch Grundlagenforschung, in der z.B. die grundlegenden Eigenschaften eines mRNA-Impfstoffes untersucht wurden.
Woher stammt die Aussage?
Die Wissenschaftlerin Dolores Cahill behauptet im Februar 2021 angeblich auf Grundlage einer Veröffentlichung von 2012, dass die mRNA-Impfstoffe einen tödlichen Zytokinsturm auslösen. Ein Zytokinsturm ist eine gefährliche Überreaktion des Immunsystems. Viele Mäuse seien nach der mRNA-Impfung und anschließender Virusinfektion verstorben, schrieb die Forscherin.
Ähnliche Behauptungen gibt es von Wolfgang Wodarg, einem Lungenarzt und ehemaligen Bundestagsabgeordneten sowie Michael Yeadon, dem Ex-Vizepräsidenten des Arzneimittelherstellers Pfizer. Die beiden beziehen sich auf eine Studie mit Katzen und behaupten, im Laufe des Versuchs wären alle Katzen nach der Infektion mit dem Virus gestorben.
Corona-Faktencheck
In der Studie von 2012 haben die Wissenschaftler*innen ganz andere Impfstofftypen als die heutigen mRNA-Impfstoffe verwendet. Die Wissenschaftler*innen konnten in der Studie sogar zeigen, dass die Impfung eine starke Antikörperproduktion hervorruft und insofern einen schützenden Effekt gegen die spätere Infektion aufweist. Einen Satz aus der Zusammenfassung der Studie: „Beim weiteren Vorgehen der Impfung gegen SARS-CoV beim Menschen ist Vorsicht geboten“ veranlasste Dolores Cahill zu ihrer Interpretation des Ergebnisses. In der Studie haben Wissenschaftler*innen lediglich herausgefunden, dass die Impfung mit einem bestimmten Wirkverstärker (alum) zu einer besonderen Immunantwort in der Lunge führt.
Die zweite Studie, in der Versuche mit Impfstoffen an Katzen durchgeführt wurden, ist bereits mehr als 30 Jahre alt (1990). Das dort getestete Virus ist zwar verwandt mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2, jedoch befällt es ausschließlich Tiere. Zudem war der Impfstoff damals ein DNA-Impfstoff, kein mRNA-Impfstoff. Der Virologe und Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, resümiert: „Beim aktuellen mRNA-Impfstoff wurden mögliche Immunüberreaktionen nie beobachtet“.
Woher stammt die Aussage?
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Lungenarzt Wolfgang Wodarg und Ex-Vizepräsident der Arzneimittelfirma Pfizer, Michael Yeadon, stellten diese Behauptung auf. Sie argumentieren, dass die Antikörper, die nach der Impfung produziert werden, die Plazenta angreifen.Die Behauptung basiert auf einer angeblichen Ähnlichkeit des bei der Impfung verwendeten Virusproteins mit einem Plazentaprotein.
Corona-Faktencheck
Emeritus Direktor des Max-Planck Instituts für Infektionsbiologie in Berlin Prof. Dr. Stefan Kaufmann erklärt, dass es nur eine sehr geringe Ähnlichkeit zwischen dem Virusprotein des Virus und dem Plazentaprotein gibt. Die Antikörper gegen das Virusprotein im Körper würden außerdem gar nicht an das Plazentaprotein herankommen, da es gut geschützt ist. Um sicher zu gehen, wurde diese Hypothese dennoch in Tierversuchen untersucht. Forschende konnten zeigen, dass weibliche Nagetiere nach der Impfung sowohl schwanger werden können als auch während der Schwangerschaft keine erhöhte Rate an Fehlgeburten auftrat. Inzwischen gibt es auch ausreichend Ergebnisse aus den Impfungen beim Menschen. In den Vereinigten Staaten wurden bis Mitte Februar mehr als 20.000 Schwangere geimpft, ohne dass bisher ein Sicherheitsproblem festgestellt wurde.
Woher stammt die Aussage?
Dieser Mythos ergibt sich aus der Kombination daraus, dass in der Forschung hauptsächlich Mäuse und Ratten eingesetzt werden, und dass diese Tierarten sich nicht auf natürlichem Wege mit SARS-CoV-2 anstecken können: Das Virus kann an Zellen von Mäusen und Ratten nicht andocken, wenn die Tiere nicht genetisch verändert sind.
Corona-Faktencheck
Es ist insofern richtig, dass Mäuse und Ratten sich nicht auf natürlichem Wege mit der ursprünglichen Variante des SARS-CoV-2 infizieren können; dennoch werden sie in der Corona-Forschung bei der Impfstoffentwicklung sinnvoll eingesetzt. Mit Mäusen wird zum Beispiel untersucht, ob ein Impfstoff eine Immunantwort auslöst und der Körper schützende Antikörper gegen das Virus-Protein produziert. Ratten werden für die Prüfung auf schädliche Auswirkungen und Nebenwirkungen verwendet, um zu untersuchen, ob ein Impfstoff schädlich für den Körper ist. Beide Versuchsansätze liefern wichtige Erkenntnisse zur Wirkung und Sicherheit des Impfstoffes, ohne, dass die Tiere sich mit dem Corona-Virus anstecken müssen.
Es gibt aber auch Tierarten, die sich natürlich mit dem Corona-Virus anstecken können, zum Beispiel Frettchen, Hamster und Primaten wie etwa Rhesusaffen. Mit diesen Tierarten wird die Wirksamkeit des Impfstoffes getestet. Werden die schützenden Antikörper produziert? Schützt der Impfstoff dadurch vor einer Ansteckung? Wird die Viruslast gemindert? Kann das Virus noch übertragen werden? All das sind wichtige Fragen, die geklärt sein müssen, um einen Impfstoff für klinische Studien mit vielen Patient*innen zuzulassen.
Woher stammt die Aussage?
Vektor-Impfstoffe enthalten ein DNA-Bestandteil für ein Virusprotein, das Spike-Protein, verpackt in ein Adenovirus. Das Adenovirus selbst ist ungefährlich für den Menschen, da es sich nicht mehr vermehren kann. Es dient dazu, das DNA-Bestandteil in die menschliche Zelle zu schleusen. In der Zelle wird das DNA-Fragment in den Zellkern gebracht und dort in mRNA übersetzt. Die mRNA wandert wieder aus dem Zellkern heraus und wird in das Spike-Protein übersetzt. Dadurch wird die schützende Immunreaktion des Körpers aktiviert.
Im Zellkern befindet sich jedoch auch unser Erbgut, ebenfalls in Form von DNA. Das legt den Gedanken nahe, dass sich das virale DNA-Fragment in unser Erbgut einbauen kann. In einem Interview der Frankfurter Rundschau mit dem Pharmazeuten Theo Dingermann wird klar, warum dieser Gedanke zu einem Mythos geworden ist. Die Behörden haben zu den Auswirkungen der Vektor-Impfstoffe auf das Erbgut von uns Menschen nur vermerkt, dass dazu keine Studien durchgeführt wurden, ohne eine Erklärung zum sehr geringen Risiko abzugeben.
Corona-Faktencheck
Theoretisch ist ein Einbau von Fremd-DNA (Adenovirus oder virales DNA-Bestandteil) in unser Erbgut möglich. Der Vorgang heißt heterologe Rekombination und ist ein zufälliger Prozess, der im Zellkern erfolgen kann. In Tierversuchen mit einem anderen Adenovirus wurde 2010 schon einmal gezeigt, dass Gene des Adenovirus in das Erbgut von Leberzellen der Maus eingebaut werden können. Die heutzutage verwendeten Adenoviren sind allerdings so gewählt, dass die menschliche Körperzelle sie schnell vernichten kann und das Risiko für den Menschen daher verschwindend gering ist.
Ob das DNA-Fragment, welches vom Adenovirus transportiert wird, ins menschliche Erbgut eingebaut werden kann, haben Wissenschaftler*innen vor den klinischen Studien untersucht. Es konnten keine Hinweise darauf gefunden werden, dass so ein Einbau stattfindet. Da jedoch zu den Corona-Impfstoffen noch keine Langzeiterkenntnisse vorliegen, lässt sich nicht abschließend beantworten, ob die Vektor-Impfstoffe potentiell solch ein Risiko mit sich bringen. Der Pharmazeut Theo Dingermann denkt, dass das Risiko der Impfstoffe unser Erbgut zu verändern, sehr gering ist.
Woher stammt die Aussage?
Zu Beginn der Corona-Pandemie gab es ständig wechselnde Meldungen dazu, ob (Haus-)Tiere sich mit dem SARS-CoV-2 Corona-Virus anstecken oder ihn übertragen können. Artikel-Überschriften wie „Katzen können Corona übertragen“, die von einer gegenseitigen Ansteckung unter Katzen berichten, führen zusätzlich zu Unsicherheiten.
Corona-Faktencheck
Wie wir in → Mythos 6 bereits beschrieben haben, können einige Tierarten wie Hamster und Frettchen sich natürlicherweise mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 anstecken. Deshalb eignen sie sich auch als Modelle in der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten. Auch Haustiere wie Hunde, Kaninchen und Katzen können sich nachweislich mit dem Virus infizieren und vom Menschen angesteckt werden. Die Infektionen verlaufen aber in den allermeisten Fällen ohne Krankheitssymptome und sind ungefährlich für die Tiere. Prof. Dr. Katrin Hartmann, Leiterin der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München, hat keine Hinweise dafür gefunden, dass Katzen oder Hunde die Infektion auf einen Menschen übertragen haben. Es sind lediglich Fälle bekannt, in denen zum Beispiel Katzen weitere Katzen angesteckt haben, jedoch weiterhin symptomlos. Es gibt auch andere Corona-Viren, die für den Menschen keine Gefahr darstellen, dafür aber Krankheiten bei Tieren auslösen. Bei Katzen und Schweinen können unterschiedliche Corona-Viren beispielsweise zu einer tödlich verlaufenden Durchfallerkrankung führen.
Woher stammt die Aussage?
Diese Aussage wurde unter anderem von einer bundesweit tätigen Tierschutzorganisation in Beiträgen verwendet. Die Behauptung stützt sich auf die Tatsache, dass die konventionelle Entwicklung von Arzneimitteln, darunter auch von Impfstoffen, normalerweise um die 10 Jahre dauert. In der Corona-Pandemie war die Impfstoffentwicklung jedoch viel schneller. Da fälschlicherweise behauptet wird, dass in der Corona-Impfstoffentwicklung Tierversuche einfach entfielen (→ Mythos 1) oder erst nach den Studien am Menschen stattfanden (→ Mythos 2) folgern einige Organisationen, Tierversuche seien nicht erforderlich. Denn: Ohne Tierversuche sei die Entwicklung von Impfstoffen ja aktuell viel schneller gegangen.
Corona-Faktencheck
Wir haben für die → Mythen 1 und → 2 bereits beschrieben, dass die vorgeschriebenen Tierversuche bei den aktuell zugelassenen Impfstoffen vor den Studien am Menschen durchgeführt wurden. Weitere Tierversuche können Forschende nach einer international harmonisierten Vorgehensweise auch durchführen, nachdem die erste Studie am Menschen (klinische Studie Phase 1) erfolgt ist. Diese Vorgehensweise ist ein Kompromiss aus Dringlichkeit und Ausführlichkeit und stellt keineswegs die Sicherheit des Impfstoffes in Frage oder lässt Tierversuche aus. Daher ist die Argumentation, dass Tierversuche die Entwicklung von Arzneimitteln behindern, weil es so lange dauert, nicht schlüssig. Die Gründe, warum die Impfstoffe gegen das Corona-Virus so schnell zugelassen werden konnten, sind sehr vielschichtig und werden in dieser interaktiven Infografik und im Kompass Tierversuche 2021 erläutert.
Zum einen gab es schon viele Ergebnisse von früheren Corona-Viren, auf die die Wissenschaftler*innen zurückgreifen konnten. Zum anderen war die Entwicklung der Corona-Impfstoffe vergleichsweise einfach, da die benötigte Immunantwort nur eine Sorte schützender Antikörper beinhaltet. Z.B. bei AIDS ist die Immunantwort viel komplizierter. Dazu kommt, dass die klinischen Studien am Menschen sehr schnell durchgeführt werden konnten, weil es aufgrund der Pandemie-Lage viele Freiwillige gab. Bei Impfstoffen kann anders als bei Medikamenten jede Phase der klinischen Studien (Phase 1, 2 und 3) an gesunden Menschen durchgeführt werden. Zu guter Letzt wurde die Zulassung durch das Rolling Review Verfahren beschleunigt. Das bedeutet, dass die Arzneimittelbehörde vorhandene Ergebnisse aus den Tierversuchen und ersten klinischen Studien noch während der laufenden Studien prüft, um nach Abschluss der letzten Studie schnell über die Zulassung entscheiden zu können.
Woher stammt die Aussage?
Ähnlich wie → Mythos 6 entsteht dieses Mythos daraus, dass die am meisten in der Forschung eingesetzten Tiere wie Mäuse und Ratten sich nicht mit dem Corona-Virus infizieren können. Daher bieten solche Tierversuche mit den Impfstoffkandidaten angeblich keine Vorhersagekraft für die Impfwirkung beim Menschen. Dazu kommt, dass Tierversuchsgegner*innen oft die Aussage treffen, 95% aller an Tieren erfolgreich getesteten Medikamente würden nie für den Menschen zugelassen, da sie im Menschen anders oder gar nicht wirkten. Tiermodelle und Menschen seien einfach zu unterschiedlich.
Corona-Faktencheck
Durch Tierversuche an Tierarten, die sich ebenfalls natürlicherweise mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 infizieren können (z.B. Rhesusaffen, Frettchen und Hamster) lässt sich eine solide Aussage über die Wirksamkeit des Impfstoffes und die zu erwartende Immunantwort treffen. Wissenschaftler*innen können durch Tierversuche zum Beispiel untersuchen, ob der Impfstoff eine Infektion mit dem Virus verhindert und ob das Virus nach einer Impfung noch weitergegeben werden kann. Diese Ergebnisse der Corona-Forschung lassen eine Vorhersage darüber zu, ob der Impfstoff beim Menschen ebenfalls eine Infektion verhindert oder die Ansteckungsgefahr verringert. Auch die Erkenntnisse aus Tierversuchen mit Mäusen und Ratten bieten wichtige Informationen für den Menschen. An Mäusen untersuchen Wissenschaftler*innen, ob der Impfstoff Hinweise auf eine schützende Immunantwort gibt. In Ratten untersuchen sie, ob der Impfstoff giftig für den Organismus ist. In allen Tierversuchen wird auf die Schädlichkeit des Impfstoffes geachtet.
Vorhersagekraft bedeutet aber nicht, dass sich alle Ergebnisse vollständig auf den Menschen übertragen lassen. Die Reaktion des menschlichen Immunsystems kann stärker, schwächer oder auch leicht anders ausfallen als bei der Maus oder dem Rhesusaffen. Wichtig ist aber, dass vor den Studien am Menschen getestet wird, ob die Immunreaktion auf den Impfstoff gut oder gefährlich ausfällt. Tierversuche bieten eine Vorhersagekraft über die grundsätzliche Wirkung und Schädlichkeit des Impfstoffes, nicht aber über die detaillierte Reaktion des menschlichen Körpers. Die Frage nach der Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen beantworten wir hier noch einmal ausführlicher.
Woher stammt die Aussage?
Mehrere Impfskeptiker, darunter ein Senator aus Texas (USA), behaupten, BioNTech und Pfizer hätten Tierversuche abgebrochen und ausgelassen, weil die Tiere am mRNA-Impfstoff gestorben seien. Diese Aussage hat Bob Hall in einer Senatssitzung geäußert. Ein Video dazu kursiert im Internet und wird als Beleg für diesen Mythos verwendet.
Impfkritiker berufen sich dabei oft auf eine Studie aus 2012, in der bei einem verwandten Virus (SARS-CoV-1) und verschiedenen DNA-Impfstoffen eine potentiell gefährliche Antwort des Immunsystems gefunden wurde (→ Mythos 3).
Corona-Faktencheck
Wie in → Mythos 1a und → Mythos 1b bereits beschrieben, wurden alle vorgeschriebenen Tierversuche für die Zulassung der Impfstoffe durchgeführt. Das Vorgehen wurde international abgestimmt. Die Aussage, es seien Tierversuche abgebrochen worden, weil der Impfstoff die Tiere getötet hat, ist falsch. Wie bereits in → Mythos 3 aufgeklärt, findet bei den Corona-Impfstoffen auf mRNA-Basis keine erkennbare gefährliche Immunantwort statt.
Die Versuchstiere, die den Corona-Impfstoff bekommen haben, werden anschließend mit dem Covid-19-Erreger infiziert, um den Effekt der Impfung zu untersuchen. Später werden die Tiere schmerzfrei getötet, um auch die Organe wie die Lunge zu untersuchen. Nur so können die Wissenschaftler*innen eine Aussage über Impfstoff, Infektion und mögliche unerwünschte Nebeneffekte treffen. Die Tiere sterben nicht am Impfstoff oder der folgenden Infektion, sondern für die geplante Untersuchung der Organe.
Woher stammt die Aussage?
Es gibt bisher noch keine zugelassenen mRNA-Impfstoffe oder Medikamente. Da die Entwicklung der Corona-Impfstoffe vergleichsweise sehr schnell ging, sind diese plötzlich die ersten und einzigen mRNA-Impfstoffe auf dem Markt.
Corona-Faktencheck
Aktuell ist ein mRNA-basierter Impfstoff gegen das ZIKA-Virus in der klinischen Phase 2(seit Sommer 2021). Zuvor wurde dieser Impfstoff erfolgreich in Tierversuchen getestet ist bereits 2019 in die klinische Studie Phase 1 eingestiegen. Dieser Impfstoff befand sich somit bereits in der klinischen Phase, bevor die Corona-Pandemie überhaupt begonnen hatte. Da die Entwicklung und Testung der Corona-Impfstoffe viel schneller ging als bei herkömmlichen Medikamenten, haben diese alle anderen in der Testung befindlichen mRNA-Impfstoffe schlichtweg überholt. Warum der Corona-Impfstoff so viel schneller entwickelt wurde, haben wir im Kompass Tierversuche 2021 ab Seite 12 aufgearbeitet.
Ein weiteres Beispiel ist ein mRNA-Wirkstoff gegen Prostatakrebs. Dieser ging bereits 2013 in die klinische Phase 2b, mit dem Ziel, die Sicherheit und Wirksamkeit bei Krebspatienten zu untersuchen. Die Studien zu diesem Impfstoff wurden allerdings nach der Phase 2b abgebrochen. Die Wirkung des Impfstoffes erwies sich als nicht stark genug, um die Überlebenszeit der Patienten deutlich zu erhöhen. Einen Impfstoff gegen Krebs zu entwickeln, ist deutlich schwieriger als gegen eine Virusinfektion wie Covid-19. Die Reaktion des Immunsystems auf eine Krebserkrankung st viel komplexer. Der Impfstoff muss hier den Bauplan für mehrere so genannte Antigene tragen, die Strukturen, die dem Immunsystem zeigen wogegen es kämpfen muss – Bei Covid-19 war es hingegen nur ein einziges Antigen. Das Scheitern dieser Therapie lag daher nicht an der mRNA-Technologie, sondern an der Schwierigkeit, eine komplexe Erkrankung wie Krebs zu besiegen.