Versuchstierzahlen 2020

Endlich aufatmen? Hoffnung für Mukoviszidose-Patienten

Die Erbkrankheit Mukoviszidose – auch zystische Fibrose (CF) genannt – betrifft europaweit bis zu eines von 2.500 Kindern. Die Krankheit wurde nach ihrer Entdeckung 1938 schnell als eine der tödlichsten Erbkrankheiten bekannt. In den vergangenen Jahrzehnten wurden bereits große Fortschritte im Kampf gegen die Mukoviszidose erzielt. Tierversuche haben dabei eine wichtige Rolle gespielt, insbesondere bei der Entwicklung von so genannten CFTR-Modulatoren. In Tierversuchen prüften Wissenschaftler*innen die Funktion, Wirksamkeit und Sicherheit dieser Wirkstoffe. Auch bei der Weiterentwicklung von CFTR-Modulatoren und der Suche nach neuen Therapieansätzen für Mukoviszidose-Patienten spielen Tierversuche weiterhin eine wichtige Rolle.

Lange Zeit war die einzige Möglichkeit der Behandlung von Mukoviszidose, die Symptome zu behandeln: Zum Beispiel mit Hilfe von Inhalationen, Antibiotika-Therapien, Physiotherapie sowie Ernährungs- und Sporttherapie. Das verspricht zwar keine Heilung, verbessert die Lebensqualität der Patient*innen jedoch deutlich. Zum Behandlungserfolg trägt unter anderem auch eine frühe Diagnose nach der Geburt oder im Säuglings- und Kleinkindalter bei. Gerade diese Früherkennung spielt eine wichtige Rolle für eine erfolgreiche Behandlung, da Mukoviszidose erst im fortgeschrittenen Stadium irreparable Schäden im Körper verursacht. Eine Heilung ist noch immer nicht in Sicht, aber die jahrzehntelange Forschung hat große Fortschritte gemacht.

Innovative Therapieansätze zur Bekämpfung von Mukoviszidose

Prof. Marcus Mall, Direktor der Klinik für Pädiatrie der Charité, beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit Mukoviszidose. Der renommierte Lungenforscher hat mit der Amilorid-Therapie eine innovative Behandlungsmethode entwickelt. Der Wirkstoff Amilorid hemmt gestörte Natrium-Kanäle auf den Atemwegszellen, die sich schneller als normal öffnen und schließen. Dadurch steigert sich die Durchlässigkeit von Natriumionen. Dies führt zu einer verstärkten Aufnahme von Salz und Wasser durch die Schleimhäute. Versuche an transgenen Mäusen zeigten, dass eine erfolgreiche Behandlung nur möglich ist, wenn sie direkt nach der Geburt und noch vor dem Ausbruch der Krankheit erfolgt. Die Behandlung mit Amilorid zeigte positive Effekte auf die Bildung und Zusammensetzung der Schleimhaut. Der Wirkstoff führt zu einer besseren Befeuchtung der Lungenschleimhaut. Allerdings zeigte sich eine Verbesserung nur bei Mäusen, die den Wirkstoff inhalierten, bevor erste Symptome auftraten.

Foto: Angelique Tuszakowski
Dr. Miriam Schlangen Foto: Angelique Tuszakowski

Im Jahr 2020 haben Mall und sein Team mit einer Kombination aus drei so genannten CFTR-Modulatoren eine Art Reparaturwerkzeug entwickelt, das so genannte Kaftrio. Es verbessert die Funktion der Kanäle an der Zelloberfläche und gewährleistet den Transport von Chloridionen. Dr. Miriam Schlangen vom Mukoviszidose e.V., Bundesverband Cystische Fibrose (CF) betont, dass Prof. Mall entscheidend dazu beigetragen habe, die Entstehung und die Mechanismen der Mukoviszidose zu verstehen. Die Lungenfunktion verbessert sich, die Lebensqualität steigt und damit auch die Selbstständigkeit der Betroffenen. Das Medikament ist bei Menschen wirksam, die an einem bestimmten genetischen Defekt (F508del) leiden. Dieser spezifische Gendefekt ist die häufigste Ursache für Mukoviszidose. Die Behandlung mit dem Reparatursatz kann daher rund 85 Prozent der deutschen Betroffenen helfen. Das Medikament ist in Europa bereits seit dem 21. August 2020 zugelassen.

Neues Mukoviszidose-Medikament: Die vielversprechende Dreierkombination

Auch Tierversuche haben zur Entwicklung dieses Meilensteins in der Mukoviszidose-Forschung beigetragen. US-Forscher hatten in präklinischen Studien die Dreierkombination mehrfach an genetisch veränderten Mäusen getestet. Eine Mutation führte bei den Tieren dazu, dass sich krankheitsrelevante Eiweiße verformten und deren Funktion einschränkten. Nach der Behandlung mit dem Wirkstoff maßen die Wissenschaftler*innen die Menge an Chloridionen in den Zellen von Nase und Lunge. Das Experiment zeigte, dass der Kombinationswirkstoff die Funktion des Proteins weitgehend wiederherstellen konnte.

Wie funktioniert dieses Reparaturset? Das Medikament korrigiert die Fehlfunktion des CTFR-Transportkanals  und stellt seine Funktion wieder her. In einer klinischen Studie wurden 403 Mukoviszidose-Patient*innen mit einem solchen Medikament behandelt. Prof. Mall selbst behandelte 103 Teilnehmer*innen. Das Ergebnis: Durch die Dreifachkombination erreichte der Kanal 50 Prozent der Funktion eines gesunden Menschen. Ohne Behandlung läge die Funktion nur bei etwa 10 bis 20 Prozent. Im Rahmen eines Härtefallprogramms konnten bereits wenige Monate nach Studienbeginn Patienten behandelt werden.

Inwiefern Therapien, die an den Symptomen ansetzen, künftig reduziert werden können, ist aktuell noch nicht absehbar, dies müssen weitere Studien zeigen, so Dr. Schlangen. „Es gibt jedoch Patienten, die für eine Lungentransplantation gelistet waren, und wieder von der Liste genommen werden konnten. Gleichzeitig muss man aber auch sehen, dass bei spätem Einsatz des Medikaments, also bei Erwachsenen, bereits irreparable Schäden entstanden sind, die nicht rückgängig gemacht werden können.“ Malls Forschung deute darauf hin, dass eine frühe Therapie entscheidend sei. Der Lungenforscher hatte sich daher für eine Modulator-Studie mit Kindern stark gemacht, die erfolgreich verlief. So wurde der Wirkstoff Anfang 2022 auch für Kinder ab sechs Jahren zugelassen. Da das Erbgut nicht verändert wird, zählt die Behandlung nicht zur klassischen Gentherapie und wirkt daher nur vorübergehend. Die nachwachsenden Zellen müssen anschließend erneut behandelt werden.

Die Suche nach Heilung

Trotz dieses Erfolges besteht weiterhin Forschungsbedarf. Für 10 bis 15 Prozent der Mukoviszidose-Patient*innen in Deutschland kommt die Dreifachkombination gar nicht in Frage. Ihr Körper bildet aufgrund einer so genannten Stopp-Mutation generell kein CFTR-Protein. Die von Mall und seinem Team entwickelte Dreifachkombination kann hier nicht eingreifen, da diese die vorhandenen Kanäle nur reparieren, aber nicht neu bilden kann. Einige Patient*innen, so Schlangen, seien außerdem aufgrund von Nebenwirkungen gezwungen gewesen, das Medikament abzusetzen.

Malls Forschungsergebnisse stellen ohne Zweifel einen großen Fortschritt in der Behandlung von Mukoviszidose dar. Es wird dennoch weiter an verschiedenen Fragestellungen geforscht, um eine Therapie zu entwickeln, die Mukoviszidose langfristig heilen kann. Hier müsse weiter in Bereichen wie zum Beispiel der Gentechnik geforscht werden, erläutert Schlangen. Nach ihrer Einschätzung sind Tierversuche derzeit die einzige Möglichkeit, solche Therapien zu erforschen. Dies sei vor allem auf die Komplexität der Krankheit zurückzuführen. Mukoviszidose betrifft viele verschiedene Organe und kann durch verschiedene Mutationen hervorgerufen werden. Allerdings werde untersucht, inwieweit auch Organoid-Modelle in der Weiterentwicklung der Modulatoren und patientenindividueller Kombinationen genutzt werden können. Grundsätzlich gilt: „Für die unterschiedlichen Fragestellungen müssen unterschiedliche Methoden eingesetzt werden, dazu gehören bis jetzt auch noch Tierversuche“, erläutert Schlangen.

Der Mukoviszidose e.V. fördert zum Beispiel „ein sehr vielversprechendes Projekt zur Herstellung gesunder weißer Blutkörperchen, die zur Behandlung chronischer Infektionen in den Lungen von Mukoviszidose-Patient*innen eingesetzt werden sollen“, erklärt Miriam Schlangen. Dazu programmieren die Forschenden die Zellen so um, dass sie die Eigenschaften von Stammzellen zurückerhalten. Im nächsten Schritt werden daraus weiße Blutkörperchen hergestellt. Die gesunden Blutzellen werden genveränderten Mukoviszidose-Mäusen eingesetzt. Die Forscher*innen testen dadurch, ob die Transplantation gesunder Blutkörperchen als Therapieform bei Entzündungsprozessen in der Lunge eingesetzt werden kann. Die Ergebnisse des Projekts bieten also nicht nur Potenzial für Mukoviszidose-Patient*innen.

Wie entsteht Mukoviszidose, wie verläuft die Krankheit?
Welche Organe sind betroffen?
Was sind die Symptome bei einer Mukoviszidose?

 

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