„Dass in Europa gefangene Primaten aus dem Dschungel für die Forschung eingesetzt werden, ist ein Mythos“, sagt Uwe Schönmann, Koloniemanager am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen. Er kümmert sich am DPZ um die Zucht, Haltung und Pflege der Tiere und ergänzt: „In Göttingen halten wir keine Wildtiere. Das ist zum einen per Gesetz verboten, zum anderen bergen Wildtiere das Risiko von Krankheiten, die unseren Bestand gefährden könnten.“ Für die Forschung dürfen ausschließlich Affen aus sogenannten F2-Generationen genutzt werden, die gezielt für die Forschung gezüchtet wurden. In der Praxis bedeutet das, dass bereits die Eltern der Tiere in Gefangenschaft geboren wurden. Nur wenn es dafür einen Nachweis gibt, kann ein Tierversuch genehmigt werden. Das DPZ geht sogar einen Schritt weiter: Dort werden nur Tiere eingesetzt, deren Großeltern bereits in Gefangenschaft geboren wurden.
Unterschiedliche Bezugsquellen in Industrie und akademischer Forschung
Sowohl Versuche in der akademischen Forschung als auch in der Industrie unterliegen in der EU den gleichen strengen Gesetzen. Einen wesentlichen Unterschied gibt es jedoch: Die Industrie verfügt nicht über eigene Zuchtstationen. Deshalb ist sie darauf angewiesen, ihre Tiere aus Ländern außerhalb der EU zu importieren. Staatliche Forschungsinstitutionen in Deutschland beziehen Primaten hingegen in erster Linie direkt vom DPZ. Das DPZ verfügt über eine Zuchtstation mit aktuell rund 1.300 Affen. Zwischen 100 und 200 Tiere sind am Institut in Versuchen gemeldet. Alle anderen sind für die Zucht vorgesehen. Damit können rund 95 Prozent des Bedarfs am Institut abgedeckt werden. Darüber hinaus liefert das DPZ 40 bis 80 Tiere pro Jahr an andere europäische Forschungsinstitute.
„Trotz strukturierter Zucht kommt es manchmal zu Engpässen“, sagt Uwe Schönmann. „Es kann zum Beispiel vorkommen, dass unsere Forscher für ihre Untersuchungen Tiere bestimmter Altersklassen benötigen, die unsere Zucht nicht abdeckt. Dann fragen wir zunächst bei anderen Forschungsinstituten in der EU an, ob sie aushelfen können“, so Schönmann. Dort gelten die gleichen Standards und Vorgaben wie in Deutschland. Nur, wenn das nicht möglich ist, sind die Forscher darauf angewiesen, Tiere außerhalb der EU zu importieren – zum Beispiel aus Zuchtstationen in China oder Mauritius.
Strenge Auflagen für Zuchtstationen und Lieferanten von Affen
Auf Primaten spezialisierte Zuchtstationen müssen strenge Auflagen erfüllen und benötigen eine offizielle Genehmigung, damit deutsche Forschungsinstitute von dort Tiere beziehen dürfen. Die Zuchtstationen hat Schönmann vor Ort besichtigt. Ihm ist es sehr wichtig zu wissen, wie die ausländischen Stationen arbeiten. Die Abwicklung von der Bestellung bis hin zum Transport nach Deutschland übernehmen auf Affentransporte spezialisierte Lieferanten. Diese müssen ebenfalls eine entsprechende Lizenz vorweisen. Das DPZ arbeitet zum Beispiel schon seit vielen Jahren mit zwei Lieferanten aus Frankreich und den Niederlanden zusammen.
In den Ländern des jeweiligen Lieferanten angekommen, werden die Tiere zunächst für mehrere Wochen in einer von den Behörden vorgeschriebenen Quarantäne gehalten und einem ausführlichen Gesundheitscheck unterzogen. Die vorgeschriebene Zeitspanne kann in den einzelnen EU-Ländern variieren. Erst dann werden die Tiere zum DPZ geliefert. Schönmann isoliert dort die Tiere zunächst für zwei bis drei Wochen und lässt einen erneuten Gesundheitscheck vornehmen. Gesetzlich vorgeschrieben ist das zwar nicht, dennoch eine wichtige Sicherheitsmaßnahme, erklärt Schönmann: „Die Tiere können sich so in Ruhe akklimatisieren und vom Transport erholen. Viel wichtiger aber noch ist, dass wir sichergehen wollen, dass die Tiere keine Krankheiten in unsere Zucht einschleppen.“
Für alle importierten Tiere gilt: Bevor Sie zu dem Bestand im DPZ dazu stoßen dürfen, überprüft auch das zuständige Veterinäramt des Landes Niedersachsen, ob die Tiere gesund sind.
Die Haltung, Zucht und der Import von Primaten unterliegen also zahlreichen Vorschriften – der Einsatz eines Tieres für Forschungszwecke muss somit sehr präzise geplant werden.