Die Zahl der Tiere, die in der EU in Tierversuchen eingesetzt werden, sinkt seit einigen Jahren. Im ersten Corona-Jahr 2020 ist sie nun erneut deutlich gesunken. Dies zeigt unsere Auswertung der im April 2023 durch die Europäische Kommission veröffentlichten Tierversuchsstatistik für die EU und Norwegen für das Jahr 2020. In den 27 EU-Staaten wurden insgesamt 7.331.263 Tiere in Tierversuchen verwendet, 2019 waren es noch knapp 8,1 Millionen Tiere. Dieser Rückgang von rund 9,5 % wird mit Corona-bedingten Einschränkungen der Forschung begründet. Dennoch setzt sich damit ein Trend fort: Bereits seit 2016 ist die Gesamtzahl der Versuchstiere in den 27 EU-Staaten rückläufig.
Die Trends in der EU-Statistik lassen sich jedoch nur mithilfe von Hintergrundinformationen erkennen, da der „Brexit“ und die 2018 eingeführte Einbeziehung von Norwegen die Interpretation verkomplizieren. Außerdem setzt sich die Gesamtzahl der Versuchstiere in der EU-Statistik aus verschiedenen Zahlen zusammen: Zu den in der Forschung verwendeten Tieren müssen Tiere für die Erzeugung und den Erhalt von gentechnisch veränderten Organismen hinzugerechnet werden. Dadurch wird der Vergleich der Anzahl eingesetzter Tiere über mehrere Jahre zunehmend komplexer.
Wie die EU-Statistiken zu lesen sind, haben wir in einem Beitrag zu den EU-Zahlen aus dem Jahr 2019 in einer Infobox dargestellt. Die EU bietet eine eigene Datenbank für ihre Tierversuchsstatistik: die ALURES-Datenbank. Es ist jedoch Hintergrundwissen erforderlich, um die darin enthaltenen Daten sinnvoll zu interpretieren.
Zahl der einsetzten Tiere in der EU sinkt weiterhin
In der EU ist die Zahl der in Tierversuchen eingesetzten Tieren deutlich zurück gegangen: Von rund 8,1 Millionen Versuchstieren im Jahr 2019 ist die Zahl um rund 9,5 % auf 7,3 Millionen gesunken. Sie liegt damit zum ersten Mal seit Einführung der EU-Direktive 2010/63/EU unter 8 Millionen Tieren. Norwegen verzeichnete hingegen von 2019 auf 2020 einen Zuwachs um rund 11 %. Auch im Vereinigten Königreich (UK) ist die Versuchstierzahl 2020 laut der britischen Tierversuchsstatistik deutlich – um fast 20 %) zurückgegangen. Die nationale Statistik, die das britische Homeoffice ermittelt, kann man nicht direkt mit den von der EU-Kommission berichteten Zahlen vergleichen, eine vergleichbare Statistik lässt sich aber berechnen.
In der EU und Norwegen machen die eingesetzten Tiere in der Grundlagenforschung mit 41 % immer noch den größten Anteil aus. Jedoch gab es hier einen Rückgang um 10 % im Vergleich zum Vorjahr. Im Gegensatz dazu gab es vornehmlich bei Versuchstieren, die für den Arten- & Umweltschutz eingesetzt worden sind, eine Zunahme von 10 %. Das liegt größtenteils an den vielen Versuchen mit Fischen, die Norwegen durchführt. Für die Züchtung und den Erhalt gentechnisch veränderter Tiere wurden 2019 noch 686.628 Tiere gezählt, 2020 waren es mit 659.418 Tieren etwas weniger. (Alle Zahlen ohne UK)
Auch die Zahl der Versuchstiere in Deutschland sank 2020
Die deutsche Statistik zeigte 2020 ebenfalls einen Rückgang: 2020 wurden laut EU-Bericht 1.897.640 Tiere in Tierversuchen eingesetzt, 2019 waren es noch 2.202.592 Tiere (ein Minus von 14 %). Damit gab es 2020 in Deutschland, dem bevölkerungsreichsten Land der EU, in absoluten Zahlen die meisten Versuchstiere in der EU. Dahinter folgten Frankreich mit 1.643.787 Versuchstieren und Norwegen mit 1.422.041 Versuchstieren. Dieses Bild ändert sich jedoch, wenn man die Zahl der Versuchstiere mit der Zahl der Einwohner*innen ins Verhältnis setzt. Deutschland rutscht hierbei von Platz 8 in 2019 auf Platz 10 in 2020. Auf 1000 Einwohner kommen rechnerisch rund 23 Versuchstiere. Mit deutlichem Abstand liegt weiterhin Norwegen auf Platz 1. Dort sind es 264 Versuchstiere pro 1000 Einwohner, was vor allem an Versuchen mit Fischen im Zusammenhang mit Aquakulturen liegt. Besonders auffällig ist allerdings die Zunahme der Tierversuche in Malta. Waren es 2019 noch 0,5 Tierversuche pro 1000 Einwohner, sind es im Jahr 2020 92 Tiere. Das entspricht einem Anstieg von weniger als 1.000 auf fast 50.000 eingesetzte Tiere. In Malta schwanken die jährlichen Versuchstierzahlen mit einzelnen Projekten sehr stark.
Einfluss der COVID19-Pandemie auf Tierversuche
Das Jahr 2020 war gekennzeichnet durch Corona-bedingte Sondereffekte. Einerseits war der Bedarf an biomedizinischer Forschung zur Entwicklung und Erprobung von Impfstoffen und Behandlungsmöglichkeiten groß. Es wurden Tiermodelle gebraucht, um das SARS-CoV-2 Virus zu erforschen, und um die Sicherheit und Wirkungsweise von Impfstoffen und Arzneimitteln am lebenden Organismus zu prüfen. Trotzdem ging die Zahl der Tierversuche deutlich zurück. Durch europaweite Lockdown-Maßnahmen wurde die Arbeit in Laboren und Forschungseinrichtungen maßgeblich eingeschränkt, sodass die Entwicklung der Tierversuchszahlen stark durch die SARS-CoV-2-Pandemie beeinflusst wurde.
Bericht der EU vs. deutsche Statistik |
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Die in Deutschland jährlich gemeldeten Versuchstierzahlen unterscheiden sich von denen aus dem EU-Bericht. Das liegt unter anderem daran, dass in der deutschen Statistik Tiere mitgezählt werden, die zwar nicht in Tierversuchen eingesetzt, jedoch zu wissenschaftlichen Zwecken getötet wurden. Unter den § 4 des Tierschutzgesetzes fallen Tiere, die ohne vorherigen Eingriff getötet werden, um nach dem Tod Organe für die Forschung zu entnehmen. Diese Tiere werden in Deutschland ebenfalls als Versuchstiere mitgezählt. In Deutschland gab es 2020 633.784 solcher „§ 4-Tiere“. Dadurch liegen die in Deutschland gemeldeten Versuchstierzahlen für 2020 bei rund 2,5 Millionen – im EU-Bericht sind nur 1.897.640 Tiere gezählt. |