Uni Hohenheim setzt bei Tierversuchen erfolgreich auf Transparenz

Die Universität Hohenheim informiert seit dem vergangenen Jahr umfangreich und transparent über Tierversuche in den Laboren der Hochschule. Prof. Dr. Stephan Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim, erklärt im Interview mit Tierversuche verstehen, warum die Universität auf Offenheit setzt.

Die Universität Hohenheim hat ein umfassendes Informationsangebot zum Thema Tierversuche in der Forschung veröffentlicht. Warum hat sich die Universität dazu entschlossen?

Prof. Stephan Dabbert: Ganz generell zählt die Universität Hohenheim das Thema Transparenz zu ihrem Markenkern. Das gilt nicht nur für Tierversuche sondern zum Beispiel auch für Berufungsverhandlungen, den Umgang mit Krisen oder strategische Überlegungen zur Weiterentwicklung der Universität. In den vergangenen Jahren habe ich außerdem die Erfahrung gemacht, dass es am besten ist, selbst heikle Themen von Seiten der Universität aus offen anzusprechen, die Fakten auf den Tisch zu legen und den eigenen Standpunkt zu begründen. Bei Tierversuchen wissen wir, dass das öffentliche Interesse hoch ist. Wir bekommen zum Beispiel regelmäßig Anfragen zum Thema. Gleichzeitig hat das Thema einen hohen Stellenwert: 10 % der Fachgebiete arbeiten in der einen oder anderen Form mit Tieren. Das reicht von Verhaltensstudien mit reiner Beobachtung bis zu Versuchen, die das Töten von Tieren notwendig machen.

Welche Schritte haben Sie unternommen, um das Portal auf den Weg zu bringen?

Prof. Dabbert: Das Informationsportal ist eines von mehreren Ergebnissen unserer Leitlinien für Tierversuche in Forschung und Lehre. Denn darin hat sich die Universität Hohenheim unter anderem zu mehr Transparenz bei Tierversuchen verpflichtet. Zwischen Idee und Verabschiedung der Leitlinien lagen zwei Jahren intensiver Arbeit. Den Auftakt machten zwei Gesprächsrunden, zu denen alle Tierversuchsleiter eingeladen waren. Als Impulsredner hatten wir einen Nachwuchswissenschaftler der Initiative ProTest und den Pressesprecher der Universität Tübingen eingeladen, da die Universität Tübingen zu diesem Zeitpunkt bereits eigene Leitlinien verabschiedet hatte.

Welche Bedingungen müssen genehmigungsfähige Tierversuche erfüllen?

Das Kommunikationskonzept wurde in einer Arbeitsgruppe unter meinem Vorsitz entwickelt, in der ein Mitglied aus jeder betroffene Fakultät, ein Kommunikationswissenschaftler, die Tierschutzbeauftragte und der Pressesprecher vertreten waren. Die Leitlinien wurden in jedem relevanten Gremium von den Fakultätsräten über Senatskommissionen diskutiert und schließlich vom Senat beschlossen. Das Infoportal ging in zwei Stufen online: im ersten Schritt war es nur universitätsintern sichtbar. Um es bekannt zu machen, gab es mehrfache Berichterstattung in den Universitätsmedien und eine universitätsöffentliche Veranstaltung für alle Universitätsmitglieder, auf der ich die Seite und die neue Informationspolitik persönlich vorstellte und Fragen beantwortete.

Kurz vor dem going public luden wir erstmals auch die anerkannten Tierschutzorganisationen im Großraum Stuttgart zum gegenseitigen Kennenlernen ein und stellten ihnen die Leitlinien vor. Veröffentlicht wurden die Leitlinien dann auf einer Pressekonferenz im Rahmen eines Journalistenseminars, in dem wir auch Einblick in die Versuchstierställe gaben und Forschungsprojekte vorstellten.

Gab es Widerstände, die überwunden werden mussten? 

Prof. Dabbert: Insgesamt war die Offenheit für eine transparente Informationspolitik von Anfang an recht hoch. Zu meiner Freude war das gerade auch bei einigen sehr profilierten Wissenschaftlern und bei den Dekanen der Fall. Viele von ihnen empfanden den Schritt als zeitgemäß. Sie begrüßten, dass sich die Universität damit auch öffentlich hinter ihre Arbeit stellt. Sehr wertvoll war auch das Engagement von Prof. Dr. Frank Brettschneider als Kommunikationswissenschaftler: Er legte auf wissenschaftlicher Basis dar, wie wichtig es ist, die Öffentlichkeit und Menschen mit anderer Meinung als Dialogpartner ernst zu nehmen, auf Verständlichkeit zu achten und auch dann vollständig zu informieren, wenn keine explizite juristische Verpflichtung dazu besteht.

Wie konnten Sie Skeptiker überzeugen?

Prof. Dabbert: In internen Diskussionen habe ich versucht, deutlich zu machen, dass wir in Forschung und Lehre heutzutage auf öffentliche Akzeptanz angewiesen sind, um unserer Arbeit nachzugehen. Ganz bestimmt gibt es nach wie vor auch Skepsis gegenüber dieser neuen Informationspolitik. Unterm Strich hat die Zustimmung jedoch weit überwogen. Nun muss die Zeit zeigen, ob der aktuelle Kurs der richtige ist.

Wie wurde Ihre Initiative bisher aufgenommen?

Prof. Dabbert: Im persönlichen Gespräch und auf Journalistenanfragen erklärten mehrere Tierschutzorganisationen, dass Ihnen die Selbstverpflichtungen nicht weit genug gehen. Ich denke, dass diese Rollenverteilung in der Natur der Sache liegt. Wir sind jedoch im Gespräch miteinander und wollen den Dialog auch weiter fortführen.

Die Presseresonanz war landesweit sehr hoch: Zeitung, Radio, Fernsehen und Online-Medien haben alle berichtet. Der Tenor der Berichterstattung war kritisch-objektiv, zum Teil sogar wohlwollend. In der Folge gab es zwei Leserbriefe und zwei Online-Kommentare. Darauf haben wir seitens der Universität sehr sachlich mit eigenen Posts und Leserbriefen reagiert, die alle auch freigeschaltet und abgedruckt wurden.

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