Wie werden Neuroprothesen entwickelt?

In der Neuroprothetik schöpfen Patienten mit Amputationen oder Lähmungen neue Hoffnung. Spezielle Prothesen übertragen Signale des Gehirns an externe Geräte.

Ein Patient sitzt vor einem Bildschirm und bewegt einen Cursor. Er klickt auf eine Schaltfläche, öffnet ein E-Mail-Fenster und schreibt einen Text. Nichts Besonderes? – Doch! Der Patient, wir nennen ihn MN, tut es, ohne seine Hände zu bewegen, nur mit der Kraft seiner Gedanken. MN ist nämlich seit einer Verletzung am Hals von dort abwärts querschnittsgelähmt. Er sitzt im Rollstuhl, kann Arme und Beine nicht bewegen und wird assistiert beatmet. Seine Bewegungsabsichten detektiert ein Computer mit Hilfe von Elektroden, die ins Gehirn implantiert wurden. Sie leiten die Aktivität einzelner Nervenzellen ab. Ohne diese Elektroden würden seine Bewegungsabsichten nie zur Ausführung kommen. So aber werden die Aktivitätsmuster aus dem Gehirn fortlaufend registriert, interpretiert und als Steuersignale verwendet, um einen Cursor auf einem Bildschirm zu bewegen oder Buchstaben zu schreiben. Die Aufgabe gelingt nur mit Mühe, aber immerhin so leicht, dass MN nebenher mit dem Experimentator sprechen kann. Die Sprache und die Neuroprothese sind für ihn die einzig verbliebenen Möglichkeiten der Kommunikation.

 

Patienten wie MN sind leider keineswegs selten. Verletzungen der Wirbelsäule und des Rückenmarkes mit nachfolgender Querschnittslähmung treten immer wieder auf, auch bei jüngeren Leuten, nach Unfällen zu Hause, im Verkehr oder bei der Arbeit. Weiterhin gibt es schwerwiegende degenerierende Erkrankungen, bei denen ebenfalls Teile des motorischen Nervensystems zugrunde gehen (z.B. bei Patienten mit Multipler Sklerose oder mit ALS), und eine große Gruppe von Schlaganfall-Patienten, bei denen einzelne Hirnareale oder aus dem Gehirn absteigende, motorische Nervenbahnen geschädigt sind. Hieraus resultieren sehr häufig Lähmungen einer Körperhälfte oder der Sprache. Schließlich gibt es die Gruppe der Patienten mit Gliedmaßenamputationen, welche insbesondere nach Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen immer wieder ins öffentliche Bewusstsein tritt. Patienten mit fehlenden Gliedmaßen können mit Prothesen versorgt werden, die eine gewisse kosmetische und funktionelle Versorgung bieten. Einen adäquaten Funktionsersatz, etwa einer fehlenden Hand, gibt es jedoch nicht. Dies liegt nicht an fehlenden technischen Möglichkeiten, Prothesen mit entsprechender Beweglichkeit und Motorik zu bauen, sondern an dem Problem, sie für den Patienten steuerbar zu machen. Genau hier setzt die Neuroprothetik an. Die Hoffnung ist, nicht nur Patienten mit Amputationen, sondern auch anderen Patienten mit schweren Lähmungen oder sonstigen Bewegungseinschränkungen helfen zu können.

 

Die Wartung einer Roboterhand in der Werkstatt der Neurobiologie des DPZ. Foto: Thomas Steuer
Die Wartung einer Roboterhand in der Werkstatt der Neurobiologie des DPZ. Foto: Thomas Steuer

 

Was sind Neuroprothesen?
Welche Arten von Neuroprothesen gibt es?
Nichtinvasive Neuroprothesen
Implantierte Neuroprothesen
Wissenschaftliche Grundlagen
Systemische Neurophysiologie: Wie denken und handeln wir?
Elektroden, Biokompatibilität und Signalverarbeitung
Informationsverarbeitung und Mikroelektronik
Die Rolle von Tierexperimenten
Grundlagen- und angewandte Forschung
Schlussfolgerung

zuerst erschienen auf www.forschung-leben.ch

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