Die Grundlagenforschung liefert bis heute wichtige Erkenntnisse für die Bekämpfung von Krankheiten. Manche durchlaufen ein jahrzehntelanges Versuch-und-Irrtum-Stadium, ehe sie zum Tragen kommen. Wir zeigen dies am Beispiel der fast zeitgleich entdeckten Liposomen und der Botenstoff mRNA. Letzterer trug während der Corona-Pandemie zur zügigen Herstellung und Zulassung eines wirksamen Impfstoffs bei. Im „Kompass Tierversuche 2024“ auf den Seiten 6 und 7 findet sich eine Grafik zu diesem Thema. Nachstehend haben wir dazu einige nützliche Hintergrundinformationen zusammengetragen.
1961 Entdeckung der mRNA
- Mehrere Arbeiten zur Protein-Synthese erscheinen in diesem Jahr und machen es zum Entdeckungsjahr der mRNA
- Französische Forschende benutzen erstmals die Begriffe messenger RNA und mRNA
1984 Erstmalig mRNA im Labor
- Douglas Melton und Kollegen aus den USA stellen erstmalig mRNA im Labor her
1987 Produktion von Proteinen möglich
- Der Molekularbiologe Robert Malone vermischt mRNA mit Fetttröpfchen und menschlichen Zellen. Dabei entstehen Proteine.
1993 Erste Tests von mRNA-Impfstoffen an Mäusen
- Forschende aus Frankreich testen erstmals mRNA-Impfstoffe gegen Influenza an Mäusen. Das Immunsystem aktiviert so genannte T-Zellen[RS1] (T 8-Lmyphozyten).
- Sie zeigen erstmals, dass mRNA in Liposomen eine körpereigene Abwehrreaktion gegen Viren bei Mäusen auslöst.
1996 Impfstoff-Test mit in vitro auf Immunzellen übertragener mRNA
- Der Immunologe Eli Gilboa testet in vitro auf Immunzellen übertragene mRNA als Impstoffkandidaten.
- Nach einem erfolgreichen Test an Mäusen filtern sie erstmals Immunzellen aus menschlichem Blut und bringen sie dazu, eine künstliche mRNA aufzunehmen
- Der Impfstoffkandidat scheitert zwar später, dient dennoch als Inspiration für weitere Forschung
1997 Entwicklung einesmRNA-basierten Impfstoff gegen HIV/Aids
- Die ungarisch-amerikanische Biochemikerin Katalin Karikó beginnt mit dem US-Immunologen Drew Weissmann an der Universität von Pennsylvania, einen mRNA-basierten Impfstoff gegen HIV/Aids zu entwickeln
1997 Rückschritt: mRNA-Kandidaten verursachen in Mäusen massive Entzündungen - Rückschritt: Karikós mRNA-Kandidaten lösen in Mäusen massive Entzündungen aus
1998 Herstellung großer und komplexer Proteine in Zellen durch Karikó
- Karikó gelingt die Herstellung großer und komplexer Proteine in Zellen
- In diesen Proteinen entdeckt sie therapeutisches Potenzial
2000 Gründung CureVac
- Ingmar Hoerrgründete in Tübingen das Unternehmen CureVac
2005 Wegweisende Studie von Karikó und Weissman
- Karikó und Weissman veröffentlichen gemeinsam eine wegweisende Studie.
- Sie finden heraus, dass der Austausch des natürlichen RNA-Bausteins Uridin durch künstlich hergestelltes Pseudouridin eine unerwünschte Immunreaktion im Körper verhindert
2008 Gründung BioNTech
- Ugur Şahin und Özlem Türeci gründen in Mainz das Unternehmen Biontech
2010 Hautzellen verwandeln sich mit modifizierter mRNA in Muskelgewebe
- Der Kanadier Derrick Rossi entdeckt, wie sich Hautzellen mithilfe von modifizierter mRNA in embryoähnliche Stammzellen und schließlich in Muskelgewebe verwandeln
- Gründung des Unternehmens Moderna. Rossi ist Mitgründer.
- Die Universität von Pennsylvania verkauft das Patent für modifizierte mRNA, für 300.000 US-Dollar an eine kleine Laborreagenzien-Firma. Es beruht auf der Forschung von Karikó und Weissman.
2013 Erste Studie mit Impfstoff gegen Tollwut
- CureVac startet erste Studie mit mRNA-Impfstoff gegen Tollwut an Menschen
2020 Erster mRNA-basierte Covid-19 Impfstoff erhält Zulassung
- Der erste mRNA-basierte Covid-19 Impfstoff von Biontech und Pfizer erhält eine Zulassung in verschiedenen Ländern, darunter auch eine bedingte Zulassung in Europa durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA)
2023 Medizin-Nobelpreis fürProf. Katalin Karikó und Dr. Drew Weissmann
- Prof. Dr. Katalin Karikó und Dr. Drew Weissmann erhalten den Medizin-Nobelpreis. Sie haben entdeckt, „dass basenmodifizierte mRNA verwendet werden kann, um die Aktivierung von Entzündungsreaktionen zu blockieren und die Proteinproduktion zu steigern, wenn die mRNA an die Zellen geliefert wird“.
Erläuterungen für Strang mit Liposomen-Historie
1964 Entdeckung von Liposomen
- Eine Arbeitsgruppe um den britischen Hämatologen Alec Douglas Bangham entdeckte „multilamellar smectic mesophases“. Erst später erhielten sie durch Gerald Weissmann den Namen Liposomen
1965 Erstmalige Herstellung
- Erstmals Herstellung von Liposomen
1974 Einsatz bei Impfstoffen
- Liposomen werden erstmalig für die Zusammensetzung von Impfstoffen verwendet.
1978 Fusion von mRNA und Lipsomen
- Es gelingt mRNA mit Liposomen zu fusionieren und in Zellen zu schleusen.
1990 Erste Testsmit Impfstoff-Zusatz Polyethylenglycol an Mäusen und im Blutserum
- Erste Tests mit Polyethylenglycol (PEG) an Mäusen (Verteilung und Verhalten des Wirkstoffs im Körper) und am menschlichen Blutserum (Stabilität). Der Stoff verbessert die Löslichkeit und hält Liposome länger im Körper. PEG ist auch in den Impfstoffen von BioNTech und Moderna enthalten.
1990 Therapie mit Liposomen kommt auf den Markt
- Das Anti-Pilz-Medikament AmBisome kommt auf den Markt. Liposome werden verwendet, um die Wirkstoffe in die Körperzellen zu transportieren.
1995 Erstes Nano-Medikament mit liposomal formuliertem Wirkstoff wird zugelassen
- Zulassung des Krebsmedikaments Doxil mit liposomal formuliertem Wirkstoff gegen das Kaposi-Sarkom, einen Gefäßtumor, kommt auf den Markt.
2005 Verbesserte Methode zurHerstellung von Lipid-Nanopartikeln
- Entwicklung einer verbesserten Methode zur Herstellung von Lipid-Nanopartikeln
- Fette fügen sich über einen Verbindungspunkt (T-Connector) mit Nukleinsäuren zusammen.
2012 Impfstoffe werden in Lipid-Nanopartikeln in Mäuse transportiert
- Tests von Impfstoffen, die in Lipid-Nanopartikeln in Mäuse transportiert werden
2015 Klinische Studiemit mRNA-Impfstoffen in Lipid-Nanopartikeln
- Erste klinische Studie mit mRNA-Impfstoffen in Lipid-Nanopartikeln
2018 Erstes Medikament mit Lipid-Nanopartikeln wird zugelassen
- Zulassung von Patisiran in den USA als erstes Medikament mit Lipid-Nanopartikeln.
- Es dient der Behandlung der seltenen Erbkrankheit Familiäre Amyloidpolyneuropathie