Eine getigerte Katze wird gekrault.

Interview-Reihe: „Wir müssen Verantwortung übernehmen für die Tiere“

Im zweiten Teil unserer Interviewreihe über Tierpfleger*innen in Forschungseinrichtungen spricht Laura Gobbers über ihre Arbeit im Spannungsfeld zwischen Tierliebe und Wissenschaft. Sie ist Tierpflegerin der Fachrichtung Forschung und Klinik am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns und betreut verschiedene Mauslinien.

Laura Gobbers betreut als Tierpflegerin Mäuse am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns. Foto: Max-Planck-Institute für Biologie des Alterns/K. Link, 2018

Wie sind Sie auf den Beruf der Tierpflegerin mit der Fachrichtung Klinik und Forschung aufmerksam geworden? Und was war ausschlaggebend dafür, dass Sie sich für diesen Beruf entschieden haben?

Laura Gobbers: Ich wusste, ich wollte mit Tieren arbeiten. Ich wusste nur nicht in welchem Beruf. Ich fand Ausschreibungen für Tierarzthelfer und Tierheime. Aber diese Berufe waren für mich zu schlecht bezahlt oder hatten ungünstige Arbeitszeiten. Dann fand ich die Ausschreibung des Max-Planck-Instituts. Ich habe versucht, über das Internet Informationen über den Beruf und über Tierversuche zu finden, bin dort aber nur auf abschreckende Hasskampagnen gestoßen. Ich ging trotzdem zum Vorstellungsgespräch und habe mir die Tierhaltung selbst angeschaut. Und siehe da, es war nicht nur nicht wie ich es mir vorgestellt hatte: Es war besser.

Welche Eigenschaften/Qualifikationen sollte man für Ihren Beruf mitbringen?

Gobbers: Der Beruf Tierpflegerin in Fachrichtung Forschung und Klinik ist eigentlich nicht schwer. Abgesehen von guten Englischkenntnissen (Englisch ist normalerweise die Institutssprache, da nicht alle Wissenschaftler aus Deutschland kommen) ist vor allem Respekt, Akzeptanz, Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein gefordert. Wir müssen das Leben und die Tiere respektieren, aber wir müssen auch akzeptieren, dass es ohne Tierversuche in der Forschung nicht weitergeht. Wir müssen Verantwortung übernehmen für die Tiere und deren Wohl. Das heißt auch, dass ich Verantwortung dafür übernehme, wenn ein Tier Schmerzen hat und ich es deswegen erlöse.

Um welche Tiere kümmern Sie sich?

Gobbers: Aktuell kümmere ich mich um ca. 1000 Mäuse und bin für die Zucht von Jungtieren verantwortlich. Aber in meiner Ausbildung habe ich auch mit Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen, Hunden, Katzen, Schafen, Schweinen und Rindern gearbeitet.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Gobbers: Mein Arbeitsalltag besteht aus einer Wochenroutine. Wenn ich morgens um 6 Uhr den Tierraum betrete, kontrolliere ich zunächst die Klimawerte und schaue über jede Flasche und in jeden Käfig, ob es den Tieren gut geht und sie genug Futter und Wasser haben. Das ist wichtig, da unsere Tiere nur dieses Klima gewöhnt sind und starke Veränderungen zu Leiden führen können.

Danach setze ich die Tiere in saubere Käfige, fülle das Futter auf und kümmere mich um das Enrichment (zum Beispiel Häuschen, Nagehölzer, Nistmaterial etc). Dabei schaue ich mir jedes Tier genau an, damit es bei Verletzungen (zum Beispiel Bissverletzungen durch Rangkämpfe) behandelt werden kann. Sicherlich kann man sich vorstellen, dass dieser Vorgang bei knapp 1000 Mäusen nicht mal eben so an einem Tag erledigt ist. Die Pflege verteilt sich daher auf mehrere Tage.
Hauptsächlich kümmere ich mich um Zuchten. Also Käfige, in denen ein Männchen und ein Weibchen neue Tiere gebären. Bei denen schaue ich, ob das Weibchen trächtig ist oder ob sich Jungtiere im Käfig befinden und vor allem, ob alle gesund sind. Normalerweise muss man bei den Zuchten nicht viel nachhelfen, die Paare kriegen das ganz gut selbst hin.

Danach nehme ich Gewebeproben. Ich arbeite in einem Institut, in dem Grundlagenforschung betrieben wird. Wir arbeiten hauptsächlich mit den Genen der Tiere. Die Maus kann mir natürlich nicht sagen, welches Gen sie in sich trägt. Dafür dienen die Gewebeproben. Ich stanze den Mäusen im Alter von 3 Wochen (dann sind sie alt genug, um alleine zu leben) eine kleine Kerbe ins Ohr. Damit habe ich das Tier markiert (sodass wir je 100 Tiere anhand der Ohren auseinander halten können) und ich kann direkt ein Stück Gewebe entnehmen, das dann im Labor genotypisiert wird.

Zu dem Beruf gehört viel Datenpflege. Bei so vielen Mäusen ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Dafür haben wir ein internes Programm, das gleichzeitig unsere Datenbank ist. Dort ist jede einzelne Maus hinterlegt. Die Wissenschaftler können sich darüber genau ihren Bestand und jedes einzelne Tier anschauen. Damit das funktioniert, muss der zuständige Tierpfleger die Datenbank natürlich regelmäßig aktualisieren.

Den Rest des Tages kümmere mich um unsere Auszubildenden und putze. Da wir unter einem Hygienestandard arbeiten, muss es immer sauber und hygienisch rein sein. Zum Wohl der Tiere, und um Versuche nicht durch Infektionen zu verfälschen.

Am Ende eines Arbeitstages mache ich noch einmal die Raumkontrolle. Ich notiere mir dabei wieder die Klimawerte und kontrolliere erneut jeden Käfig.

Und jeden Montag beginnt die Routine erneut.

Worauf müssen Sie im Umgang mit den Tieren achten?

Gobbers: Verantwortung ist das A und O einer Tierpflegerin. Egal in welcher Branche oder welchem Berufszweig. Wenn man mit Lebewesen arbeitet, muss man immer Verantwortung übernehmen. Im Umgang mit Versuchstieren ist es wichtig, sich klar zu machen, dass es Versuchstiere sind und diese eventuell durch veränderte Gene Schmerzen haben können. Daher ist es noch viel wichtiger, nicht weg zu schauen. Der Tierpfleger ist derjenige, der das Tier jeden Tag sieht und am besten beurteilen kann, wann es dem Tier gut geht und wann etwas zu weit geht. Dadurch lastet auf dem Tierpfleger die Entscheidung, wann er ein Tier aus ethischen Gründen erlöst. Natürlich ist es wichtig, die täglichen Kontrollen (und damit meine ich auch die Wochenenden und Feiertage) sorgfältig durchzuführen.

Wenn ich mit Tieren arbeite, muss ich mich an genaue Regeln halten. Ich darf (und will!) dem Tier natürlich nicht weh tun. Ich muss immer vorsichtig und bedacht mit ihnen umgehen und konzentriert bei der Sache sein. Viele Tiere sind gestresst, wenn plötzlich ein anderer Tierpfleger mit ihnen arbeitet, also muss ich bei einer Vertretung immer besonders sorgfältig und vorsichtig arbeiten, um den Tieren Stress zu ersparen.

Sprechen Sie außerhalb ihres Berufs über Ihre Tätigkeit? Und wie reagieren Freunde/Bekannte/Familienangehörige, wenn sie von Ihrem Beruf erfahren?

Gobbers: Außerhalb meines Berufes über diesen zu sprechen, gestaltet sich schwieriger als vorher gedacht. Meine Familie war anfangs skeptisch, ob das denn alles so richtig ist, was ich da mache. Mittlerweile stehen sie voll hinter mir und finden den Beruf gut und spannend. Sie fragen regelmäßig, wie es so läuft und was genau ich so gemacht habe. Ich bin ihnen sehr dankbar dafür. Wenn man neue Leute kennenlernt, kommt man um das Thema Beruf meistens nicht herum. Meistens sage ich einfach, dass ich Tierpfleger bin. Auf Nachfragen, wo ich arbeite, erwähne ich dann das Labor. Die Reaktionen sind ganz unterschiedlich. Die meisten Menschen reagieren zwar nicht positiv, aber neugierig. Das finde ich richtig gut. Wenn man dann ins Gespräch kommt und das Interesse des Gegenüber geweckt hat, ändert er oder sie meist seine Meinung. Oft verweise ich auf Infoplattformen und Webseiten wie Pro-Test oder Tierversuche verstehen und die meisten schauen sich diese dann auch an und machen sich ihr eigenes Bild. Ich finde es besonders wichtig, dass sich jeder sein eigenes Bild über das Thema Tierversuche macht.

Durch Aufklärung und Offenheit hat sich einiges getan. Wir haben einen Tag der offenen Tür veranstaltet und meine Familie war da und hat sich die Tierhaltung angeschaut. Sie waren absolut begeistert davon und viele andere Besucher ebenso. Ich wünschte, wir könnten noch mehr tun.

Was macht Ihnen bei Ihrer Tätigkeit besonders viel Freude? Und was eher weniger?

Gobbers: Über diese Frage habe ich lange nachgedacht. Nicht weil mir nichts eingefallen ist, eher weil ich nicht genau weiß, wie ich es vermitteln soll.

Ich liebe Tiere und ich mache meinen Beruf gerne. Das klingt irgendwie, als würde es nicht zusammen passen, aber genau so ist es. Das schlimmste für mich ist es, wenn ich ein Tier töten muss. Aber solange ich weiß, wofür und dass es einen Sinn hat, ist es für mich okay. Viele stempeln mich jetzt bestimmt als Tierquäler und -hasser ab, aber so ist es nicht. Einem Tier das Leben zu nehmen ist belastend, und das wird es auch immer bleiben. Wäre es nicht belastend, wäre ich definitiv im falschen Beruf. So etwas darf einem nicht leicht fallen. Die Frage, was einem nicht Spaß macht, ist daher recht leicht zu beantworten: Alles, was mit Leid der Tiere zu tun hat.

Aber was macht dann noch Spaß? Ich gehe sehr gerne mit diesen Tieren um. Sprich: ich nehme sie beim Umsetzen auf die Hand und schaue sie mir genau an. Schön daran ist zu sehen, dass diese Tiere keine Angst vor einem haben. Ich schaue total gerne in meine Zuchtkäfige und sehe, wie sich beide Elternteile um die Jungtiere kümmern und die Tiere sich gegenseitig pflegen. Bei der Nachmittagskontrolle sehe ich oft, wie die Mäuse zusammen kuscheln oder ihr Nest bauen. Es ist einfach schön zu sehen, wie friedlich diese Tiere sind, und dass es ihnen trotz Forschung wirklich gut geht. Was bei dieser Auflistung natürlich nicht fehlen darf, sind die Ergebnisse. Hier im Institut ist es so, dass eine E-Mail an alle Mitarbeiter geschrieben wird, wenn ein neuer Artikel mit Erfolgen erschienen ist. Einfach damit jeder weiß, wofür er hier arbeitet. Ich freue mich immer sehr über solche Mitteilungen und es ist wirklich schön zu sehen, dass wir mit der Forschung vorankommen. Gerade eben weil ich Tiere so mag, denn das heißt, dass wir irgendwann auf Tierversuche verzichten können. Darauf freue ich mich, auch wenn es heißt, dass ich meinen Job verliere. Aber bis dahin sind wir nun mal auf sie angewiesen und bis dahin werde ich tun was ich kann, um es den Tieren so angenehm wie möglich zu machen.

Das Traurigste an meinem Job ist eigentlich, dass viele Menschen mit dem Finger auf uns zeigen und uns Tierquäler schimpfen. Dabei geht es in manchen deutschen Haushalten viel schlimmer zu als in einem Institut. Wir werden regelmäßig vom Veterinäramt kontrolliert, ob wir uns an alle Gesetze halten. In Privathaushalten kontrolliert niemand, ob der Kaninchenstall groß genug ist, oder der Wellensittich einen Gefährten hat.

Hier geht es zu den anderen Teilen der Interviewreihe

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