Zebrafisch

Interview-Reihe: „Wie eine Hebamme für Fische“

Im dritten Teil unserer Interviewreihe berichtet Susanne Klug über ihre Arbeit im Spannungsfeld zwischen Tierliebe und Wissenschaft. Sie ist Tierpflegerin der Fachrichtung Forschung und Klinik im Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut und betreut hier afrikanische Killifische.

Susanne Klug hat ursprünglich Biologie studiert und ist über Umwege als Tierpflegerin ans Leibniz-Institut für Alternsforschung gekommen. Quelle: FLI/Evelyn Kästner

Wie sind Sie auf den Beruf der Tierpflegerin mit der Fachrichtung Klinik und Forschung aufmerksam geworden? Und was war ausschlaggebend dafür, dass Sie sich für diesen Beruf entschieden haben?

Susanne Klug: Tatsächlich bin ich über Umwege zu dem Beruf gekommen. Ursprünglich habe ich Biologie studiert und 2014 mein Diplom erworben. Danach wollte ich mich umorientieren. Ich überlegte, was mir immer schon Spaß gemacht hat und was sich auch in eine ähnliche Richtung bewegt. Schließlich gab es für mich zwei Möglichkeiten: Zum einen das Lehramt und zum anderen die Fachausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten. Diese habe ich dann auch absolviert. 2016 schloss ich in dem Beruf meine Ausbildung ab und wurde von meinem Ausbildungsbetrieb – einer Kleintierpraxis in Jena – übernommen. Dann wechselte ich jedoch noch im selben Jahr in eine Kleintierklinik nach Bayern.

Dann gab es beim Leibniz-Institut für Alternsforschung (FLI) eine offene Stelle als Tierpflegerin. Und spätestens nach dem Bewerbungsgespräch war für mich klar, dass dies das Arbeitsumfeld war, das ich mir wünschte.

Ich bewege mich hier in der Peripherie von Wissenschaft, habe jeden Tag Tiere um mich und das Arbeitsklima stimmt. Hier werden die Tiere unter optimalen Bedingungen standardisiert gehalten und es gibt einen realen Tierschutzgedanken.

Welche Eigenschaften/Qualifikationen sollte man für Ihren Beruf mitbringen?

Klug: Man sollte auf jeden Fall ein Gespür für Tiere haben und über eine große Portion Verantwortungsbewusstsein sowie Teamgeist verfügen. Wir arbeiten in unserem Arbeitsalltag mit Tieren und sind damit deren Bezugs- und Kontrollperson. Diese überprüft täglich, ob die Tiere optimal versorgt sind und sich wohlfühlen. Man darf dabei nie vergessen, dass diese Tiere sensible Organismen sind. Sie haben Gefühle und sollten stets als Individuum betrachtet werden. Es ist von Vorteil, in der englischen Sprache sicher zu sein. Englisch ist die dominierende Wissenschaftssprache und wir arbeiten viel mit den Wissenschaftlern im Haus zusammen.

Um welche Tiere kümmern Sie sich?

Klug: Ich betreue am FLI den Türkisen Prachtgrundkärpfling (Nothobranchius furzeri); das ist ein kurzlebiger Killifisch aus Afrika.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Klug: Der Arbeitstag fängt zwischen 7.00 Uhr und 7.15 Uhr mit dem Aufsalzen des Tankwassers für die Aquarien an. Die Fische leben bei uns in Brackwasser und benötigen spezielle Nährsalze. Anschließend wird das Futter aufbereitet und verfüttert. Hierbei werden die Fische in Augenschein genommen. Auffälligkeiten werden nach einem festgelegten System dokumentiert („Scoring“). Sollten gesundheitliche Probleme auftreten und sich sogar verschlechtern, dann werden die Fische im Zweifelsfall erlöst, um ein Leiden der Tiere auszuschließen.

Parallel zum Füttern werden die Wassersysteme gespült, um eine gleichbleibende, optimale Wasserqualität zu gewährleisten. Im Anschluss werden die Wasserwerte, wie z.B. Nitrat-, Nitrit-, pH-Wert, sowie die Temperatur und Leitfähigkeit gemessen und dokumentiert. Es folgen diverse Tätigkeiten wie z.B. das Absammeln der Fischgelege, das Ansetzen neuer Verpaarungen, der Schlupf der Jungtiere, die Reinigung und Pflege der Becken, etc.

Zusätzlich zu dieser täglichen Routine gibt es zwei Mal pro Woche Seminare oder Gruppentreffen, in denen über fachinterne Abläufe geredet wird oder in denen die Wissenschaftler ihre Arbeiten den Tierpflegern vorstellen. Neben der praktischen Arbeit fällt auch extrem viel bürokratische Arbeit an. Dies kommt durch die strengen Auflagen der Behörden zustande. Jedes einzelne Tier wird separat in einer Datenbank erfasst und sein Leben dokumentiert. Die Tiere bestimmen letztendlich immer den Tagesablauf.

Worauf müssen Sie im Umgang mit den Tieren achten?

Klug: Fische sind empfindliche Tiere. Sie sind sehr stressanfällig und brauchen eine gewisse Regelmäßigkeit im Tagesablauf. Wichtig ist vor allem die circadiane Rhythmik, ein klares Lichtregime von jeweils 12 Stunden Dauer, d.h. fest geregelte Tages- und Nacht(Ruhe)-Phasen. Zudem muss auf eine optimale Wasserqualität und die korrekte Temperatur geachtet werden. Im Gegensatz zu uns Menschen leiden Fische stumm. Wir müssen deshalb die Tiere sehr aufmerksam beobachten, um rechtzeitig eingreifen zu können. Wenn wir die Fische aus den Becken nehmen, achten wir vor allem darauf, sie nicht mit dem Kescher einzuklemmen oder sie zu jagen. Geübte, routinierte Handgriffe erleichtern uns und den Tieren dabei den Umgang.

Sprechen Sie außerhalb ihres Berufs über Ihre Tätigkeit? Und wie reagieren Freunde/Bekannte/Familienangehörige, wenn sie von Ihrem Beruf erfahren?

Klug: Tatsächlich habe ich vor meinem Berufsantritt mit meinen Freunden darüber gesprochen. Viele von ihnen leben vegan und sind im Tier- und Naturschutz aktiv. Sie haben kein Problem mit meiner Tätigkeit, da sie meist selbst einen naturwissenschaftlichen Hintergrund besitzen. Zudem wissen sie, dass es den Tieren bei mir gut geht. Daher war es kein Problem, mit ihnen oder meiner Familie über meinen Job zu sprechen. Mein jetziger Beruf ist nicht so hoch angesehen, wie mein Diplom oder der Abschluss als Tiermedizinische Fachangestellte, aber dies beruht meist auf Halbwissen oder Unwissenheit der Leute. Wenn ich ihnen kurz erkläre, was in den Laboren passiert, nimmt die bestehende Skepsis fast immer ab.

Was macht Ihnen bei Ihrer Tätigkeit besonders viel Freude? Und was eher weniger?

Klug: Weniger Freude bereitet es mir, wenn ein Fisch ein Grenzgänger ist. Das bedeutet, wenn er auffällig ist, muss ich entscheiden, ob der Fisch erlöst werden muss oder nicht. Diese Entscheidung zu fällen, ist nie leicht und ist nie mit Freude verbunden. Trotz der großen Anzahl objektiver Kriterien sind und bleiben es Individuen, die unterschiedlich stark leiden. Und leider hält sich da nicht jeder Fisch an das Lehrbuch. Was mir dagegen richtig Spaß macht, ist das Sammeln der Eier auf Torfplatten für die Nachzuchten. Diese Tätigkeit hat etwas Meditatives und ich fühle mich ein bisschen wie eine Hebamme für Fische.

Hier geht es zu den anderen Teilen der Interviewreihe

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