Liegt es an den Genen, dass Menschen eine Fettlebererkrankung entwickeln? Ein internationales Forscherteam hat Hinweise dafür im Tierversuch festgestellt. Die Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) fanden dabei heraus: Bereits sechs Wochen alte Mäuse mit starkem Hang zum Übergewicht weisen epigenetische Veränderungen auf. Bei den Versuchstieren bildete die Leber verstärkt das Enzym DPP4 und gab dieses an das Blut ab. Das Enzym hemmte wichtige Darmhormone, die für den Zuckerstoffwechsel zuständig sind. Im Laufe eines Lebens begünstigt das die Entstehung einer Fettleber. Den gleichen Prozess konnten die Forscher auch bei an einer Fettleber erkrankten Menschen beobachten.
Diabetesforscherin Prof. Annette Schürmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) spricht im Interview über die Ergebnisse und ihr Potenzial für die Entwicklung neuer Therapien und Medikamente.
Haben Mäuse häufiger mit einer Fettlebererkrankung zu kämpfen?
Prof. Annette Schürmann: Genau wie bei Menschen kommt es auch bei Mäusen auf die Erbanlagen und die Ernährung an. Manche Mausstämme neigen genetisch bedingt zu Übergewicht und Adipositas und werden schon durch den Verzehr des Standardfutters dick und entwickeln eine Fettleber. Es gibt aber auch Mäuse, die unter normalen Haltungsbedingungen schlank sind und erst unter einer fett- und kohlenhydratreichen Diät neben Übergewicht häufig eine Fettleber entwickeln.
Wie lassen sich die Erkenntnisse zur Verfettung der Leber von der Maus auf den Menschen übertragen?
Schürmann: Nach unseren Erfahrungen lassen sich die Erkenntnisse zur Leberverfettung, die wir bei der Maus machen, sehr gut auf den Menschen übertragen. Das zeigt ja gerade auch die Publikation, die wir zur Bedeutung der Regulation des Enzyms DPP4 im Hinblick auf die Entstehung der Fettleber gemacht haben. Durch die Kooperation mit Gruppen in Frankreich und Schweden bestand die Möglichkeit, sich die Genaktivität und die epigenetischen Veränderungen in der Leber von Patienten mit und ohne Fettleber anzusehen. Vergleichbar zu den Mausstudien hatten Personen mit einer Fettleber tatsächlich erhöhte DPP4-Spiegel und eine verminderte DNA-Methylierung an einer Stelle des DPP4-Gens, die bei Mensch und Maus exakt gleich ist. Dadurch lassen sich die Ergebnisse sehr gut vergleichen. Bei der DNA-Methylierung handelt es sich um eine Art „Genbremse“: Ist sie vermindert, so arbeitet das Gen aktiver.
Aber auch andere Daten, die wir in fettleibigen Mäusen gewinnen, zeigen Ähnlichkeiten zu Beobachtungen, die beim Menschen gemacht werden: Maus und Mensch sind auch dahingehend vergleichbar, dass ein gewisses erhöhtes Maß an Leberfett eine Insulinresistenz bedingt und die Entwicklung eines ausgeprägten Diabetes begünstigt.
Wie groß ist der Einfluss der Ernährung und Bewegung im Vergleich zum Einfluss der Gene?
Schürmann: Natürlich spielen gesunde Ernährung und Bewegung eine wichtige Rolle und entscheiden mit darüber, ob wir übergewichtig oder adipös werden und eventuell einen Diabetes entwickeln. Aber das Körpergewicht und damit assoziierte Erkrankungen hängen darüber hinaus auch von den Erbanlagen und den epigenetischen Veränderungen ab, die zum Teil über einige Generationen weiter vererbt werden.
Welches Potenzial bergen Tierversuche, um Ansatzpunkte für neue Therapien gegen Diabetes und andere Volkskrankheiten zu finden?
Schürmann: Die Tierversuche helfen uns, die Mechanismen zu verstehen, die für die Krankheitsentstehung verantwortlich sind. Mit diesen Kenntnissen decken wir Signalwege und Schalter auf, die eventuell durch Medikamente, aber auch durch gezielte körperliche Aktivität oder Diäten manipuliert werden können.