Viele einst tödliche Krankheiten haben ihren Schrecken verloren, ihre Behandlung kommt uns heute selbstverständlich vor. Woran die wenigsten denken: Fast alle grundlegenden Fortschritte in der Medizin beruhen auf Ergebnissen, die zuvor durch Tierversuche erzielt worden sind. Das gilt sowohl für Impfstoffe gegen zahlreiche Infektionskrankheiten als auch für Medikamente wie Antibiotika, deren Siegeszug in der Medizin mit dem Penicillin begann. Das gilt aber genauso für das Hormon Insulin, mit dem an Diabetes leidenden Menschen erstmals grundlegend geholfen werden konnte; und es gilt für die Chirurgie und Medizintechnik. Von den damit verbundenen Möglichkeiten profitieren tagtäglich Millionen von Patient*innen – und ungezählte Menschenleben konnten dadurch gerettet oder zumindest verlängert werden.
Die tierexperimentelle Forschung kommt auch der Tiermedizin zugute. So werden heute etwa Insulin und die meisten Antibiotika bei kranken Tieren in ähnlicher Weise eingesetzt wie beim Menschen.
89 Prozent aller seit 1901 verliehenen Nobelpreise für Physiologie und Medizin gehen auf Ergebnisse zurück, die ganz oder teilweise durch Tierversuche gewonnen werden konnten. Auch das zeigt die erhebliche Bedeutung von Tierexperimenten für die biomedizinische Forschung.
Im Folgenden werden einige bahnbrechende Entdeckungen genannt, die zu bedeutenden Fortschritten in der Medizin geführt und zu denen Tierversuche maßgeblich beigetragen haben:
Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts kam eine Blutübertragung einem Russisch Roulette gleich. Bereits seit dem Altertum hatte es Versuche gegeben, durch Blutübertragung – auch von Tieren auf den Menschen – Krankheiten zu behandeln. Doch selbst beim Transfer von Mensch zu Mensch blieb ihr Verlauf unberechenbar und endete oft genug mit schweren Schockzuständen und dem Tod des Blutempfängers. Die Gründe dafür blieben indes unverstanden.
Erst der österreichische Mediziner Karl Landsteiner änderte das um 1900 durch die Entdeckung der Blutgruppen. Bei seiner Arbeit am serologisch-pathologischen Institut in Wien konnte er beobachten, dass einige Proben verklumpten, wenn er Blut von verschiedenen Menschen miteinander mischte. Die Trennung der festen Blutbestandteile, vor allem der Erythrozyten (rote Blutkörperchen), von der Grundflüssigkeit des Blutes (Serum) durch Zentrifugation brachte neue Erkenntnisse: Mit dem Serum mancher Blutspender*innen verklumpten die Blutkörperchen erneut, mit dem anderer Proband*innen dagegen nicht. Dieses Verhalten hing folglich von Faktoren ab, die in dem Serum enthalten sein mussten. Nach Untersuchungen mit über 20 weiteren Proband*innen konnte Landsteiner die drei Blutgruppen A, B und C (später in 0 umbenannt) unterscheiden. Mitarbeitende von ihm entdeckten 1902 mit AB eine vierte Blutgruppe. Damit war das wichtigste menschliche, noch heute gültige AB0-Blutgruppensystem beschrieben. Karl Landsteiner wurde dafür 1930 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.
Erst später entstand ein tieferes Verständnis der Blutgruppen. Sie beruhen auf der Präsenz unterschiedlicher Antigene auf der Oberfläche der Blutkörperchen und von Antikörpern gegen diese Antigene im Serum. So enthält das Serum von Menschen mit der Blutgruppe A in der Regel Antikörper gegen das Antigen B und umgekehrt. Erythrozyten der Blutgruppe AB besitzen beide Antigene, jedoch keine Antikörper im Serum. Menschen der Blutgruppe 0 dagegen haben rote Blutkörperchen ohne A- und B-Antigen, ihr Blut enthält jedoch A- und B-Antikörper. Darum können diese Menschen nur Spenderblut der Gruppe 0 übertragen bekommen. Aus dem Abgleich der Blutgruppen und der etwaigen Unverträglichkeiten ergeben sich die für Blutübertragungen zulässigen Kombinationen. In Europa ist die Blutgruppe A mit 42 Prozent am häufigsten, gefolgt von der Blutgruppe 0 mit 37 Prozent.
Nach der Beschreibung des AB0-Systems beschäftigten sich viele Forschende mit der Entwicklung von Bluttransfusionen. Außerdem wollten sie das Problem lösen, menschliches Blut haltbarer zu machen. Dazu dienten Tierversuche, die zwischen 1900 und 1916 mit Hunden, Meerschweinchen und Kaninchen unternommen wurden. Sie halfen entscheidend mit, das richtige Transfusionsverfahren zu finden und die Blutgerinnung zu verhindern, ohne Qualität einzubüßen. Ein Durchbruch gelang etwa 1914, als der belgische Arzt Albert Hustin die Blutgerinnung durch Zusatz von Natriumcitrat verhindern und erstmals derart behandeltes Blut gefahrlos an Hunde übertragen konnte. Damit war der Grundstein für die weitere Entwicklung gelegt – zu einer Transfusionsmedizin, wie wir sie heute kennen. Dadurch sind Blutbanken entstanden, die für uns selbstverständlich sind und zu jeder Zeit die passende Blutkonserve vorrätig halten. Beides wäre ohne Tierversuche nicht möglich gewesen.
An der Aufklärung des zweitwichtigsten Blutgruppensystems des Menschen war erneut Karl Landsteiner beteiligt. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Alexander Wiener versuchte er um 1940, die Ursache für gelegentlich auftretende Unverträglichkeiten bei Blutübertragungen zu ergründen, die oft mit schweren Komplikationen verbunden waren. Dies gelang ihnen mit Versuchen an Rhesusaffen, deren Blut dem des Menschen sehr ähnlich ist. Nach ihnen wurde später der identifizierte Faktor benannt.
Der Nachweis gelang mit einem Serum, das die Forschenden aus dem Blut von Meerschweinchen gewonnen hatten. Diesen hatten sie zuvor Blut von Rhesusaffen gespritzt, woraufhin die Nagetiere in ihrem Blut Antikörper bildeten. Das gewonnene Serum wiederum versetzten die Wissenschaftler mit zahlreichen Blutproben, die jede von einer anderen Testperson stammte. Dabei kam heraus: Die überwiegende Mehrheit der Proben verklumpte, die übrigen Proben blieben unverändert.
Die Erklärung liegt im Rhesusfaktor. Spezielle Oberflächenproteine auf der Oberfläche der Erythrozyten machen ihn aus. Die Menschen, deren rote Blutzellen die Proteine auf der Oberfläche tragen, sind Rhesus-positiv (Rh+), die anderen Rhesus-negativ (Rh-). Bei Bluttransfusionen und bei Schwangerschaften kann der Rhesusfaktor zu ernsthaften, mitunter tödlichen Komplikationen führen. Dazu kommt es, wenn das Blut eines Rhesus-positiven Menschen auf einen Rhesus-negativen Menschen übertragen wird. Das Immunsystem des Empfangenden erkennt die Oberflächenproteine auf den Erythrozyten des Spenders als Fremdkörper und produziert Antikörper dagegen.
Beim nächsten Kontakt mit Rhesus-positivem Blut kann es dann unter Umständen zu einer lebensbedrohlichen Situation für den Menschen kommen, der Rhesus-negativ ist. Ähnliches gilt für eine Rhesus-negative Frau, die bereits in ihrer ersten Schwangerschaft ein Rhesus-positives Kind ausgetragen hat, weil dessen Vater Rhesus-positiv war. Die im Blut der Frau gebildeten Antikörper führen bei der nächsten Schwangerschaft zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kindes. Ungefähr 85 Prozent aller Europäer*innen sind Rhesus-positiv, den anderen 15 Prozent fehlt der Blutfaktor.
Die Entwicklung des Herzschrittmachers zeigt beispielhaft, wie Tierversuche Innovationen in der Medizintechnik ermöglichen. Die ersten Geräte wurden in den 1930er-Jahren entwickelt. Ihnen gingen Untersuchungen an Hunden voraus, die den Einfluss von elektrischen Reizen auf die Herztätigkeit zeigten. 1958 gelang es erstmalig, einen künstlichen Herzschlagbeschleuniger in den Körper einzupflanzen. Meerschweinchen und Hausschweine waren die Tiere, an denen die ersten tragbaren und dann implantierbaren Schrittmacher getestet wurden. Der Transistor und andere kleinere Bauteile machten die erforderliche Miniaturisierung möglich.
Inzwischen gehören Herzschrittmacher längst zum medizinischen Standard bei der Behandlung von Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen. Sie sind im Laufe der Zeit immer kleiner und leistungsfähiger geworden. Ihre technische Entwicklung ist aber keineswegs abgeschlossen und wird nicht ohne Tierversuche auskommen. Ein mögliches Projekt könnte die Entwicklung eines nur noch knopfgroßen Schrittmachers sein, der direkt in das Herz implantiert sowie von außen gesteuert und mit Energie versorgt wird. Ein anderer Ansatz der Behandlung von Herzerkrankungen beruht auf der biologischen Reparatur des geschädigten Herzens, etwa durch Stammzellen oder durch Gentherapie. Untersuchungen in diese Richtung laufen bereits an Zebrafischen, Mäusen und Schweinen.
Weltweit starben 2020 den Schätzungen der Internationalen Weltkrebsagentur IARC zufolge 9,96 Millionen Menschen an Krebs. In Deutschland waren es 239.591. Damit ist Krebs hierzulande nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache. Krebs gehört zu den komplexesten Erkrankungen, denen sich die Medizin zu stellen hat. Das liegt unter anderem an der ausgesprochen großen Vielfalt seiner Erscheinungsformen, auch bedingt durch die Unterschiedlichkeit der betroffenen Organe und Gewebe. Hinzu kommt eine ebenfalls beträchtliche Zahl an Krankheitsursachen. Warum es zu dem für Krebs charakteristischen ungeregelten, expansiven und verdrängenden Zellwachstum kommt, ist oft unklar. Außerdem hängt die Prognose einer Krebserkrankung von der Art der Behandlung, von ihrer Lokalisation im Körper sowie vom Entwicklungsstadium ab.
Gleichwohl haben Krebsforschung und -behandlung nach dem Zweiten Weltkrieg erhebliche Fortschritte gemacht. Diese wären ohne Tierversuche nicht möglich gewesen. Wie bei Tierversuchen insgesamt kommen in diesem Forschungsbereich weit überwiegend Maus, Ratte und andere kleine Nagetiere zum Einsatz. Dabei ist besonders die Maus als Versuchstier hervorzuheben, sie ist das wichtigste Tiermodell in der Krebsforschung.
Die drei Säulen in der Krebsbehandlung bestehen aus Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie. Für ihre Entwicklung waren und sind Tierversuche notwendig. So können etwa Wirkstoffe, die das körpereigene Abwehrsystem gegen den Krebs aktivieren sollen, sinnvollerweise nur im lebenden Organismus getestet werden.
Der modernen Chemotherapie kommt eine besondere Bedeutung in der Krebsbehandlung zu. Sie wird oftmals nach einer Operation und Strahlentherapie begleitend angewendet, weil sie noch unerkannt im Körper verbliebene restliche Tumorzellen attackiert. Sie geht auf die grundlegenden Forschungsarbeiten von Paul Ehrlich, Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 1908, zurück. Er führte den Begriff Chemotherapie ein, dachte dabei jedoch nicht an Krebs sondern an chemische Substanzen, welche die Erreger von Infektionskrankheiten bekämpfen.
Gleichwohl: Ehrlichs Konzept, die hemmende Wirkung von natürlichen Wirkstoffen auf Bakterien oder Pilze zu prüfen und die Substanzen bei Eignung synthetisch fortzuentwickeln, hat sich auch in der Entwicklung von Krebsmedikamenten durchgesetzt. Dabei geht es vor allem darum, Substanzen zu finden, die Krebszellen hemmen oder abtöten und die gesunden Körperzellen möglichst unbehelligt lassen.
Die Wirkung solcher Zytostatika beruht auf der Tatsache, dass sich Krebszellen häufiger teilen als normale Zellen. Diesen Unterschied macht sich die Medizin in der Chemotherapie zunutze: Die Zellgifte wirken stärker auf die sich sehr schnell teilenden Krebszellen und hemmen sie dadurch oder töten sie sogar ab. Das Potenzial dieser Chemotherapeutika erhöht sich häufig beträchtlich, wenn sie kombiniert eingesetzt werden können. Die Chemotherapie bietet einen zentralen Vorteil: Im Unterschied zu Operation und Strahlentherapie zielt diese medikamentöse Behandlungsform auf den gesamten Körper ab. Diese systemische Chemotherapie erreicht auch fortgeschrittene Krebsstadien, die bereits Metastasen, also Tochtergeschwülste, gebildet haben.
Die Kehrseite dieses Konzeptes: Auch gesunde Zellen werden von den Zytostatika angegriffen, speziell wenn sie sich häufig teilen. Dazu zählen die Zellen in den Haarwurzeln, in den Schleimhäuten, die blutbildenden Zellen im Knochenmark und beim Mann die Spermienvorläuferzellen im Hoden. Darüber hinaus kann die Chemotherapie weitere unangenehme Nebenwirkungen für die Patienten mit sich bringen.
Ohne das Versuchstier Maus wäre all das Wissen um Vor- und Nachteile der Chemotherapie nicht zustande gekommen. Auch die Erkenntnis, dass aus nur einer Krebszelle erneut ein bösartiger Tumor entstehen kann, ist schon früh aus Versuchen mit Mäusen gewonnen worden. Das Arsenal von über 50 die Zellteilung hemmenden Medikamenten, das heute der Medizin zur Krebsbekämpfung zur Verfügung steht, wäre ohne Tierversuche nicht entstanden.
Bis heute haben Mäuse nichts von ihrer Bedeutung in der Krebsforschung eingebüßt. Sie haben zu vielen Erkenntnissen und Methoden in jüngerer Zeit beigetragen. So etwa zu der Entwicklung neuer Immuntherapien, um bisher nicht heilbaren Formen von Leukämie besser begegnen zu können. Der Einzug gentechnisch veränderter Mäuse in die Labors brachte ebenfalls Fortschritte, unter anderem für die Behandlung besonders aggressiver Krebsarten wie myeloischer Leukämie und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Zudem ermöglichten sie Einsichten in grundlegende Zusammenhänge der Krebsentstehung. Mit ihrer Hilfe versuchen Wissenschaftler*innen und Mediziner*innen beispielsweise, die Bedeutung sogenannter Krebsstammzellen aufzuklären. Diese können Chemotherapien überleben und neue Tumore beziehungsweise Metastasen bilden. Forschende vermuten, dass diese Zellen für viele Krankheitsrückfälle (Rezidive) nach einer Krebstherapie verantwortlich sind.
Der Anteil von Mäusen an den unbezweifelbaren Fortschritten in der Krebsbehandlung und speziell der Chemotherapie ist erheblich. Nimmt man die Remission, also das Nachlassen von Krankheitssymptomen, als Maß für den Erfolg der Chemotherapie, so liegt dieses für etliche Krebsarten bei einer Rate von über 80 Prozent.
Dazu abschließend zwei Beispiele: Brustkrebs ist die zweithäufigste Krebsart weltweit und in Deutschland die häufigste bei Frauen, der Anteil an allen jährlichen Neuerkrankungen liegt bei fast einem Drittel. Doch inzwischen sind 80 bis 90 Prozent aller Patient*innen fünf Jahre nach der Diagnose noch am Leben – ein bemerkenswerter Erfolg für Wissenschaft und Medizin. Anfang der 1980er Jahre lag die 5-Jahres-Überlebensrate bei Brustkrebs nur bei knapp 70 Prozent. Der Entwicklung der heute gängigsten Wirkstoffe gegen die Krankheit gingen zahlreiche Tierversuche voraus. Dazu zählen Tamoxifen, eines der erfolgreichsten Medikamente, die sogenannten Aromatase-Inhibitoren und Trastuzumab (Herceptin) auf Antikörper-Basis.
In den letzten Jahrzehnten hat auch die Erforschung der Leukämie, oft als Blutkrebs bezeichnet, erhebliche Fortschritte gemacht. Durch das gestiegene Verständnis haben sich insbesondere die frühe Diagnose und die Behandlung der Krankheit verbessert. Unter dem Begriff Leukämie werden mehrere Krebserkrankungen des blutbildenden Systems und seiner Zellen zusammengefasst. Dieses System befindet sich im Knochenmark. Leukämien entstehen, wenn der normale Reifungsprozess der weißen Blutzellen (Leukozyten) im Knochenmark durch Mutationen in den beteiligten Genen gestört ist. Die funktionsuntüchtigen Vorläuferzellen der Leukozyten breiten sich rücksichtslos auf Kosten anderer Zellen im gesamten Körper aus – mit Folgen: Im Knochenmark verdrängen sie die normale Blutbildung, im Blut selbst entsteht ein Mangel an funktionstüchtigen Blutzellen wie Erythrozyten und auch die Funktion von Organen kann herabgesetzt sein.
Je nach Art der weißen Blutzellen, von dem die veränderten Leukämiezellen abstammen, unterscheiden Mediziner*innen zwei Typen der Krankheit: die myeloische Leukämie und die lymphatische Leukämie. Beide Leukämieformen können akut oder chronisch verlaufen. So ergeben sich insgesamt vier Leukämiearten, die am häufigsten auftreten. Die akuten Formen entwickeln sich rasch und werden innerhalb von Monaten lebensbedrohend.
Die hauptsächlichen Behandlungsformen für Leukämie sind die Chemotherapie und in einigen Fällen die Stammzellentransplantation. Neue Forschungserkenntnisse brachten für beide Methoden teils erhebliche Verbesserungen. Dennoch: Die Prognose für Leukämie hängt von der Krankheitsform und dem Diagnosealter ab. Während die akuten Formen bei Erwachsenen nach wie vor eine schlechte Prognose haben (fünf Jahre nach der Diagnose lebt noch circa die Hälfte der Patienten), haben sich die Heilungschancen für Kinder enorm verbessert. Sie erkranken mit Abstand am häufigsten an der akuten lymphatischen Leukämie. Doch ihre Prognose ist nunmehr günstig: Ihre Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt heute bei rund 84 Prozent, während sie vor 40 Jahren nur bei rund 60 Prozent lag.
Um weitere Fortschritte in der Behandlung von Leukämien und anderen Krebserkrankungen zu erzielen, ist weitere biomedizinische Forschung nötig. Diese wird auf absehbare Zeit nicht auf Tierversuche verzichten können.
Die Parkinson-Krankheit oder Morbus Parkinson ist eine der weltweit häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. Die Gesamtzahl der Parkinson-Kranken in Deutschland wird auf 250.000 bis 400.000 geschätzt. Die ersten Parkinson-Symptome treten meistens im Alter zwischen 50 und 60 Jahren auf. Die Erkrankung, landläufig als „Schüttellähmung“ bekannt, schreitet danach immer weiter fort und geht einher mit Zittern, Muskelsteifigkeit, Gedächtnisstörungen und der Verlangsamung in den Bewegungen bis hin zum völligen motorischen Stillstand des Körpers.
Die Erforschung der Parkinson-Krankheit von ihren Anfängen bis heute wird von Experimenten mit Tieren begleitet. Vor allem Kaninchen, Mäuse, Ratten und Affen kommen dabei zum Einsatz. Auf die Frage nach einer allgemeinen Ursache für die Krankheit haben die Forschenden bisher keine Antwort gefunden, auch wenn einige Gene identifiziert wurden, deren Fehlfunktion mit Parkinson verknüpft ist. Eine Heilung gibt es bisher nicht, Therapien können daher nur an den Symptomen ansetzen. Gleichwohl gelang es den Wissenschaftler*innen, die Entstehung der Erkrankung besser zu verstehen und so ihr Fortschreiten mit geeigneten Behandlungsmethoden deutlich zu verlangsamen.
Im Verlauf der Parkinson-Krankheit sterben mehr und mehr Nervenzellen in einem bestimmten Hirnareal ab. Durch Versuche mit Kaninchen in den 1950er-Jahren kam man der möglichen Ursache näher. Mit der Substanz Dopamin konnten die Forschenden Tiere, die an einer Art Schlafkrankheit litten, davon befreien. Später gelang dies auch mit Levodopa oder L-DOPA, einer Vorstufe des Dopamins, die im Hirn zu Dopamin umgewandelt wird. Inzwischen ist die Funktion des Dopamins aufgeklärt. Es handelt sich um einen sogenannten Neurotransmitter, einen Botenstoff, der die Signalübertragung zwischen Nervenzellen vermittelt. Dopamin-Mangel führt zu Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Depressionen. Bei Parkinson-Kranken entsteht der Mangel durch das schrittweise Absterben der Dopamin-produzierenden Zellen in einem bestimmten Bereich des Mittelhirns.
Levodopa ist heute ein wichtiges Medikament zur Behandlung von Parkinson-Patienten, das gilt ebenso für Dopamin-verstärkende Arzneimittel. Allerdings kehren bei etwa der Hälfte der Patient*innen innerhalb von fünf Jahren nach Beginn der Behandlung mit Levodopa die Krankheitssymptome zurück. Forschungsarbeiten an Ratten offenbarten den Grund dafür: Das Dopamin vermindert mit der Zeit die Ansprechbarkeit der Verbindungsstellen (Synapsen) zwischen Nervenzellen. Dadurch verlieren diese zusehends ihre Fähigkeit, einige Signale weiterzuleiten.
Erst durch Versuche mit Affen konnten Wissenschaftler*innen den neuronalen Hintergrund der Erkrankung aufklären und die betroffene Hirnregion dafür identifizieren. Das schuf die Voraussetzung dafür, um die Tiefe Hirnstimulation zu entwickeln – eine völlig neue, seit nicht einmal 20 Jahren angewandte Methode, um die Parkinson-Symptome zu behandeln. Sie kann neue Möglichkeiten eröffnen, wenn die medikamentöse Behandlung an ihre Grenzen stößt, beispielsweise bei Gleichgewichtsstörungen.
Für die Tiefe Hirnstimulation wird eine Elektrode als Implantat an die geeignete Stelle im Gehirn operativ eingesetzt. Bei Bedarf stimuliert die Elektrode mit Schwachstrom das durch Dopaminmangel überaktive Areal im Gehirn. Dadurch wird die Überaktivität außer Kraft gesetzt und die Beschwerden bessern sich. Dieses Implantat wird auch als „Hirnschrittmacher“ bezeichnet, da es wie ein Herzschrittmacher Nervenzellen durch elektrische Impulse anregt. Das für Parkinson-Patient*innen typische Zittern lässt sich auf diese Art deutlich vermindern. Die Patienten zeigen zudem einen verbesserten Gleichgewichtssinn.