Wettlauf um Corona-Gegenmittel

Virologen sind in Zeiten des Corona-Virus besonders gefragt. Wann steht eine Impfung gegen das Virus SARS-CoV-2 zur Verfügung? Und wann ein Medikament gegen die Atemwegserkrankung COVID-19? Einen Einblick in die aktuelle Forschung gibt Prof. Luka Cicin-Sain vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Seine Einschätzung: Erst im Herbst 2020 werde die Forschung in Deutschland so weit sein, dass klinische Studien beginnen können. An Zellkulturen können Forscher entschlüsseln, wie das Virus vorgeht. Allerdings sei die Wissenschaft noch „Jahrzehnte davon entfernt“, die komplexen Vorgänge nachzubilden, wie sie in einem immunisierten Menschen ablaufen“, sagte der Virologe im Gespräch mit Tierversuche verstehen.

Grafik:Entwicklung eines neuen Medikaments im Zeitverlauf.
Wie läuft die Entwicklung eines neuen Medikaments ab?

Das neue Corona-Virus SARS-CoV-2 ruft in den meisten Fällen milde Krankheits-Symptome hervor.
Doch gerade das mache es gefährlich. Denn Viren, die schnell bei einem großen Anteil der Infizierten heftige Symptome hervorrufen, breiten sich deutlich weniger aus: Menschen werden schneller isoliert oder sterben – das bremst eine Epidemie.

Der SARS-CoV-2 Erreger ist jedoch schon ansteckend, bevor infizierte Menschen überhaupt Symptome bemerken. Ein Extrembeispiel für einen noch milderen, aber sehr gut an Menschen angepassten Erreger sind die Herpes-Viren, wie etwa das Epstein-Barr-Virus (EBV): Schätzungsweise 90 Prozent aller Erwachsenen tragen dieses Virus in sich, ohne Symptome zu bemerken.

In Zellkulturen, so der Braunschweiger Wissenschaftler, „lässt sich herausfinden, wie sich das Virus in menschlichen Zellen vermehrt und an welche Zellen es sich bindet“.

Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Camostat Mesilate auch vor der Krankheit COVID-19 schützen könnte.

Einen solchen Beleg lieferten jetzt Forscher am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen. Dort untersuchten Infektionsforscher zusammen mit Kollegen an der Charité in Berlin, wie das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 in Zellen eindringt. Ein bereits existierendes Medikament, das eine für das Eindrungen des Virus erforderliche Protease hemmt, könnte nun eine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit darstellen. „Wir haben SARS-CoV-2 aus einem Patienten getestet und festgestellt, dass Camostat Mesilate das Eindringen des Virus in Lungenzellen blockiert“, sagt Markus Hoffmann, verantwortliches Mitglied des Forschungsteams. Camostat Mesilate ist ein in Japan zugelassenes Medikament, das bei Entzündungen der Bauchspeicheldrüse eingesetzt wird. Hoffmanns Fazit: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Camostat Mesilate auch vor der Krankheit COVID-19 schützen könnte.“ Dies müsse im Rahmen von klinischen Studien untersucht werden.

Der Braunschweiger Forscher Cicin-Sain betont jedoch: „Zur konkreten Entwicklung eines Impfstoffes werden Tierversuche aber notwendig sein.“ Denn beispielsweise ließe sich die Komplexität der Lymphknoten, in denen Zellen des Immunsystems wichtige Reifungsprozesse durchlaufen, noch nicht in alternativen Modellen abbilden.

Ein spezifisches Tiermodell für die Krankheit COVID-19, die durch das Virus SARS-CoV-2 ausgelöst wird, steht mittlerweile zur Verfügung. Eine Studie aus der Preprint-Sammlung BiorXiv zeigt, dass infizierte Rhesusaffen zumindest teilweise die Symptome von COVID-19 ausbilden. In einer aktuellen Studie konnten chinesische Forscher so Hinweise darauf sammeln, dass sich nach einer durchgemachten Infektion ein Immunschutz ausbildet. Zuvor waren aufgrund von einzelnen Berichten Befürchtungen aufgekommen, dass Menschen sich mehrfach mit SARS-CoV-2 infizieren könnten, also keinen ausreichenden Immunschutz ausbilden könnten. Des Weiteren wurde herausgefunden, dass genetisch veränderte Mäuse, die den menschlichen ACE2-Rezeptor in Atemwegen auf Zellen ausbilden, auch für COVID-19 anfällig sind. Dieses Tiermodell könnte somit auch bei der Impfstoffentwicklung helfen.

Außerdem könne man an üblichen Labormäusen testen, welche Impfstoffvarianten zu einer Antikörper-Reaktion führen, die das Virus letztlich hemmen könnten, sagt Cicin-Sain. Solche Versuche laufen aktuell etwa für die ersten Impfoffkandidaten in den USA.

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