Forschung mit und ohne Tierversuche: Auf den richtigen Mix kommt es an

In vielen Disziplinen der biomedizinischen Forschung gehören Modellierungsansätze und Zellkultur-basierte Ansätze zum festen Bestandteil des Methodenspektrums. Gleichzeitig bleiben aber auch Tierversuche für viele wissenschaftliche Fragestellungen nach wie vor unverzichtbarer Teil des Methodenspektrums, insbesondere wenn es um das Verständnis vollständig ausgereifter Organe und Organsysteme und um komplexe Körperfunktionen geht: Diese Erkenntnisse gehören zu den Ergebnissen einer hochkarätigen Informations- und Diskussions-Veranstaltung mit dem Titel “Science in dialogue: The future of Life Science research in Europe – how animal and non-animal approaches can contribute”. Zu den Gastgebern gehörten europäische Spitzenorganisationen der Forschung. Sie legten jetzt einen Bericht des Meetings vor (PDF), der zentrale Botschaften und Diskussionsthemen der Veranstaltung zusammenfasst.

Beitrag aus der Wissenschaft zur allgemeinen politischen Debatte

Eingeladen zu der Informations- und Diskussions-Veranstaltung im Oktober 2022 hatte die Allianz der Wissenschaftsorganisationen gemeinsam mit AVIESAN, einem französischen Verbund von Wissenschaftsorganisationen und -institutionen in den Lebenswissenschaften, sowie den niederländischen Förderorganisationen ZonMw (The Netherlands Organisation for Health Research and Development) und NWO (Dutch Research Council). Das Online-Treffen richtete sich an Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlamentes und weiterer europäischer Einrichtungen. Es lieferte einen wichtigen Beitrag aus der Wissenschaft zur allgemeinen politischen Debatte über Tierversuche und tierversuchsfreie Methoden in der Forschung. Ebenso trug es zur Diskussion über eine kürzlich verabschiedete Resolution des Europäischen Parlamentes zur beschleunigten Abkehr von Tierversuchen bei.

Im Rahmen der Veranstaltung stellten renommierte Wissenschaftler*innen die Bedeutung von Tierversuchen und tierversuchsfreien Methoden in ihren Forschungsgebieten sowie aktuelle Entwicklungen im Bereich der so genannten Alternativmethoden vor. Gemeinsam mit den teilnehmenden Repräsentant*innen der EU-Institutionen diskutierten sie Fragen der Methodenwahl im Kontext der ethischen Maßgaben des 3R-Prinzips sowie Potenziale und Limitierungen von Tierversuchen und tierversuchsfreien Ansätzen.

Tierversuche absehbar unverzichtbarer Teil des Methodenspektrums

In der Veranstaltung wurde deutlich, dass die Forschung in der jüngeren Vergangenheit wichtige Innovationen im Sinne des 3R-Prinzips (Replace, Reduce, Refine) hervorgebracht hat. Die Nutzung von Organoiden und Gewebemodellen hat besonders hohes Potenzial für Fragestellungen und Prüfverfahren im Bereich der Toxikologie sowie für die Untersuchung früher Entwicklungsstadien von Organen. Dennoch bleiben Tierversuche absehbar unverzichtbarer Teil des Methodenspektrums. Dabei gilt es in jedem einzelnen Forschungsprojekt, aus dem Spektrum von Methoden diejenigen auszuwählen, die – oftmals erst in Kombination – valide Erkenntnisse im Sinne der konkreten Fragestellung liefern. Die Expert*innen riefen dazu auf, dabei methodische Potenziale und Limitierungen sowohl von Tierversuchen, als auch von tierversuchsfreien Methoden transparent zu benennen und zu kommunizieren.

Am Beispiel der COVID-Pandemie wurde die Bedeutung der Grundlagenforschung hervorgehoben, deren Erkenntnisse die Grundlage für bahnbrechende wissenschaftliche, technische und medizinische Innovationen bilden und deren Bedeutung oft erst Jahrzehnte später zu Tage tritt. Bei der beispiellos schnellen Entwicklung und Testung von COVID-Impfstoffen und -Medikamenten haben Tierversuche eine bedeutende Rolle gespielt.

Abwanderung tierexperimenteller Forschung könnte Unabhängigkeit Europas gefährden

Die Wissenschaftler*innen betonten die Notwendigkeit eines breiten Methodenspektrums in der Forschung. Dementsprechend müssten die Rahmenbedingungen gleichermaßen die Unterstützung verantwortungsvoller Tierversuche und die Unterstützung der (Weiter-)entwicklung tierversuchsfreier Methoden sowie deren Validierung und breite Zugänglichkeit sicherstellen. Europa dürfe nicht zulassen, dass tierexperimentelle Forschung in andere Länder abwandere, in denen geringere Anforderungen an den Tierschutz gestellt würden. Das sei nicht nur unethisch, sondern gefährde auch die Unabhängigkeit Europas, sowohl im Hinblick auf die Innovationskraft des Kontinents, als auch auf seine wirtschaftliche Entwicklung.

Links zur Veranstaltung:

Event-Report: https://www.zonmw.nl/fileadmin/zonmw/documenten/Fundamenteel/MKMD/Science_in_dialogue_Event_Report.pdf

Programm: https://www.zonmw.nl/fileadmin/zonmw/documenten/Fundamenteel/MKMD/Science_in_dialogue_221025_Programme.pdf

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