Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Professor Dr. Peter Strohschneider, verlieh den mit 100.000 Euro dotierten Preis an Dr. Beate Krämer, Dr. Birgit Kegel und ihr Team Dr. Heike Behrensdorf-Nicol, Ursula Bonifas, Jolanta Klimek und Emina Wild von der Abteilung Veterinärmedizin am Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Professor Dr. Heidrun Potschka unterstrich in ihrer Laudatio unter anderem, dass die Forscherinnen mit der Entwicklung eines neuen In-Vitro-Testverfahrens im besonderen Maß zum Tierschutz in der Forschung beigetragen haben. Weitere Glückwünsche gab es von Professor Dr. Treue, Vorsitzender der Steuerungsgruppe der Initiative „Tierversuche verstehen“, der in seiner Festrede betonte: „Verantwortungsbewusst zu handeln heißt, Tierversuche möglichst zu reduzieren, zu verbessern oder gar zu ersetzen – dazu gehört aber auch, für Transparenz und Kommunikation zu sorgen.“
Professor Dr. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, freut sich über diesen richtungsweisenden Erfolg: „Das Konzept des PEI, Synergien aus Grundlagenforschung und zulassungsbegleitender Forschung zu nutzen und die Erkenntnisse in der Praxis, der Zulassung und Prüfung biomedizinischer Arzneimittel, anzuwenden, hat sich erneut bewährt.“
Unter 14 eingegangenen Bewerbungen für den Preis überzeugte das Team aus dem Paul-Ehrlich-Institut die Jury, weil die Forscherinnen relevante Wirkmechanismen des Botulinum-Neurotoxin nachgebildet und damit eine große wissenschaftliche Herausforderung erfolgreich bewältigt haben. Strohschneider unterstrich bei der Preisverleihung: „Die Freiheit der Wissenschaft ist mit großer Verantwortung verbunden. Es gilt immer wieder sorgfältig abzuwägen, was wissenschaftlich notwendig und was zugleich ethisch vertretbar ist.“ Dieser Verantwortung seien die Preisträgerinnen in besonderem Maße gerecht geworden.
[su_quote cite=“DFG-Präsident Professor Dr. Peter Strohschneider“]Die Freiheit der Wissenschaft ist mit großer Verantwortung verbunden. Es gilt immer wieder sorgfältig abzuwägen, was wissenschaftlich notwendig und was zugleich ethisch vertretbar ist.[/su_quote]
Die Entwicklung des neuen Testverfahrens trägt zur Umsetzung des 3-R-Prinzips (Reduction, Refinement, Replacement) bei. Tierversuche in großem Umfang – betroffen sind über 600.000 Tiere im Jahr – könnten sich in Zukunft durch die Methode vermeiden lassen. „Mit dem Preisgeld werden wir eine internationale Ringstudie durchführen, die nötig ist, um den Tierversuch im Europäischen Arzneimittelbuch zu streichen und das neue Testverfahren als Standardmethode einzuführen“, erklärten die Preisträgerinnen.
Die von Bakterien produzierten Botulinum-Neurotoxine führen bei Mensch und Tier zu Muskellähmungen. Wegen dieser Eigenschaft sind die Neurotoxine neben ihrer Anwendung in der Kosmetik ein bedeutender Wirkstoff in Medikamenten zur Behandlung vielfältiger neurologischer Erkrankungen. Vor ihrem Einsatz in medizinischen und kosmetischen Produkten müssen die Wirkstoffe standardmäßig an Mäusen getestet werden. Das neue Verfahren ermöglicht eine In-Vitro-Testung ohne Tierversuch. Der so genannte BINACLE-Test hat einen weiteren Vorteil: Er reagiert deutlich sensibler auf das Neurotoxin.
BINACLE-Test deutlich sensibler als Tierversuch
Botulinum-Neurotoxine bestehen aus zwei Untereinheiten: Eine schwere Kette bindet über Rezeptoren an Nervenzellen, eine leichte Kette spaltet enzymatisch ein Substrat und verhindert damit die Ausschüttung des Neurotransmitters Acetylcholin, was zu Muskellähmungen führt. Der entwickelte Test ahmt diesen Wirkmechanismus in-Vitro nach. Auf einer Mikrotiterplatte fixierte Rezeptormoleküle binden das Toxin, durch Reduktion wird es gespalten. Die abgetrennte leichte Kette wird auf eine zweite Testplatte gegeben. Dort spalten die Moleküle ein Substratprotein – nach Zugabe eines Antikörpers verändert sich die Farbe. Die Aktivität des Botulinum-Neurotoxins ist damit nachgewiesen.
Der Ursula M. Händel-Tierschutzpreis geht auf die Initiative seiner gleichnamigen Stifterin zurück. Die Düsseldorferin Ursula M. Händel (1915–2011) setzte sich über Jahrzehnte in vielfältiger Weise für den Tierschutz ein. So gründete sie unter anderem den „Bonner Arbeitskreis für Tierschutzrecht“, dessen Arbeiten Eingang fanden in die Novellierung des Tierschutzgesetzes. Dem Tierschutz in Wissenschaft und Forschung besonders verbunden, stellte Händel der DFG die Mittel für den Tierschutzpreis zur Verfügung. Der alle zwei Jahre vergebene Preis soll insbesondere wissenschaftliche Forschungsprojekte auszeichnen, die dazu beitragen, die Belastung für die in Experimenten eingesetzten Tiere zu vermindern, ihre Zahl zu verringern oder sie ganz zu ersetzen.