Corona-Forschung

Long Covid: Mediziner Prof. Dr. Dr. Robert Bals im Interview (Teil 2)

Long Covid gilt als eine relativ neue Erkrankung und bezeichnet die Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion. Die Krankheit äußert sich in einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome. Die Forschung steht hier noch am Anfang. Prof. Dr. Dr. Robert Bals, Direktor der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum des Saarlandes, bietet seit Juli 2020 eine Long-Covid-Sprechstunde an. Mit „Tierversuche verstehen“ spricht der Mediziner im Rahmen des Projekts #meinwunderpunkt in diesem Teil des Interviews über den aktuellen Forschungsstand und den Einsatz von Tierversuchen in der Long-Covid-Forschung. Im ersten Teil des Interviews geht es unter anderem um mögliche körpereigene Mechanismen, die die Langzeitfolgen verursachen.


Weitere Informationen zum Projekt #meinwunderpunkt gibt es hier.


Prof. Dr. Dr. Robert Bals bietet am Universitätsklinikum des Saarlandes eine Long-Covid-Sprechstunde an.

Es stehen viele mögliche Ursachen für Long Covid zur Diskussion. Ist das von Patient zu Patient unterschiedlich?
Prof. Robert Bals:
Bei Long Covid gehen wir derzeit von vielfältigen Mechanismen aus, die sich jeweils individuell bemerkbar machen. Diese Mechanismen fangen wir erst ganz, ganz langsam an zu verstehen. Was man von anderen Viruserkrankungen kennt, sind kognitive Beschwerden, die noch nach der akuten Krankheit fortbestehen. Einige Studien zeigen zum Beispiel, dass bei Long Covid vermehrt Entzündungssubstanzen in der Hirnflüssigkeit zu finden sind. Dies scheint mit einer chronischen Entzündung, vielleicht mit einer Art Autoimmunkrankheit zusammenzuhängen. Die fortwährende Vervielfältigung des Virus halte ich allerdings nicht für ausschlaggebend. Das Fortbestehen des Virus betrifft eher chronisch kranke Personen mit abgeschwächtem Immunsystem.

Gehen Sie davon aus, dass Long Covid mehrere Organe angreift?
Prof. Bals: Die akute Infektion mit Covid-19 greift in verschiedene Organsysteme ein. Zum Beispiel wirkt sie sich auf das Knochenmark oder die Blutbildung aus. So lassen sich sicherlich Vorgänge erklären, die das Immunsystem betreffen und unter anderem dafür sorgen können, dass Covid-19 teilweise chronisch wird.

Wie schätzen Sie den Stand der Forschung zu Long Covid ein? Welche Fragen sind künftig noch zu klären?
Prof. Bals: Die zentrale Frage besteht darin, wie Long Covid entsteht? Ich schätze, dass demnächst noch viele Studien kommen, die Genexpressionsmuster beschreiben. Das heißt, Forschende untersuchen anhand bestimmter Zellen im Hirn, im Blut oder in der Lunge die Eigenschaften von Genen. Wenn bei Patienten zum Beispiel Gedächtnisstörungen durch Long Covid auftreten, dann werden bestimmte Gene vermehrt abgelesen. Somit lässt sich zumindest mit einiger Gewissheit darauf schließen, welcher Mechanismus beim jeweiligen Patienten eine Rolle spielt.

Tierversuche für die Long-Covid-Forschung stehen noch am Anfang. Welchen Beitrag können Tierversuche Ihrer Meinung nach leisten? Wo sehen Sie Chancen und Grenzen?
Prof. Bals: Für Long Covid braucht man natürlich erstmal ein Tier, das sich auch infizieren kann. Eine Schwierigkeit besteht auch darin, die Komplexität von Long Covid abzubilden, insbesondere die kognitiven Beschwerden. Ich glaube allerdings schon, dass Tiermodelle eine wichtige Rolle einnehmen, um Mechanismen zu überprüfen, die im Körper vor sich gehen. Man kann sehr gut sehen, ob das Virus oder Proteine des Virus in verschiedenen Zellen persistieren, also länger, über die akute Infektion hinaus, im Körper verweilen. Man kann das Immunsystem detailliert untersuchen oder  strukturelle Änderungen einzelner Organe beobachten. Hier könnte man auch auf die Bildgebung zurückgreifen, um die Zahl der Tiere, die man für solche Versuche einsetzt, im Sinne des 3R-Prinzips zu reduzieren. Konkret können zum Beispiel Mausmodelle mit transgenen Mäusen oder Knock-out Mäusen zum Einsatz kommen, um die Mechanismen „festzuklopfen“. Das ist sehr wichtig, wenn es darum geht, Ansätze für Therapien gegen Long Covid zu finden.


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