Auch wenn die Chancen auf ein „normales” Leben für die Patient*innen mittlerweile stark gestiegen sind, so endet die Krankheit AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome) für viele Menschen weltweit immer noch tödlich. 2023 starben laut dem Programm der Vereinten Nationen UNAIDS rund 630.000 Menschen an den Folgen der Immunschwäche. Diese wird durch eine Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) ausgelöst, wobei die Infektion an sich noch keine AIDS-Erkrankung darstellt. AIDS gilt inzwischen als behandelbar. Heilbar ist die Krankheit trotz aller medizinischen Fortschritte bis heute nicht. Tierversuche haben einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung gängiger Therapien geleistet.
Bis Mitte der 1990er Jahre galt eine AIDS-Erkrankung als Todesurteil. Dabei greift das HI-Virus das menschliche Immunsystem an und zerstört Zellen, die für die Immunabwehr wichtig sind. Lässt man das HI-Virus unbehandelt im Körper gewähren, schwächt es das Immunsystem so stark, dass selbst „harmlose“ Erkrankungen wie etwa Pilzinfektionen lebensbedrohlich werden können. HIV zählt zu den Retroviren: Im Gegensatz zu den meisten anderen Viren integrieren sie ihr genetisches Material direkt in das Erbgut der Wirtszellen. Dadurch können sie im Körper unbemerkt „versteckt“ bleiben und langfristig aktiv sein, was ihre Bekämpfung erheblich erschwert.
Auch wenn ein Heilmittel noch nicht in Sicht ist, so kann eine frühzeitige Diagnose und Therapie die Lebensqualität und Lebenserwartung Betroffener in der heutigen Zeit erheblich verbessern.
Kombination aus Medikamenten hält das Virus in Schach
Der gängigste und am weitesten verbreitete Therapieansatz ist die antiretrovirale Therapie (ART) oder hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART). Es handelt sich dabei um eine Kombination aus mehreren HIV-Medikamenten. Diese unterdrückt die Vermehrung der HI-Viren im Körper und verhindert somit einen Ausbruch von AIDS. An der Entwicklung dieser Therapieform hatten Tierversuche an nicht-menschlichen Primaten einen wesentlichen Anteil. Seit einigen Jahren werden allerdings auch humanisierte Mäuse, also Tiere die zum Beispiel menschliche Gene oder Zellen tragen, in der HIV-Forschung eingesetzt
Affen gelten hingegen als die einzigen Tiere, die auf natürliche Weise mit einem HIV-ähnlichen Virus infizierbar sind. Das sogenannte Simian Immunodeficiency Virus (SIV) löst bei bestimmten Affenarten wie Rhesusaffen ähnliche Krankheitsverläufe und Immunreaktionen wie HIV beim Menschen aus. Durch Studien an SIV-infizierten Affen konnten Forschende den Verlauf der Infektion, die Schwächung des Immunsystems sowie die Auswirkungen unterschiedlicher Therapieansätze auf den Verlauf der Erkrankung untersuchen.
Affen haben ein ähnliches Immunsystem wie wir
Tests an nicht-menschlichen Primaten haben es ermöglicht, Wirkstoffe gegen Retroviren zunächst in einem Immunsystem zu erproben, das dem des Menschen sehr ähnlich ist. Dadurch konnten Forschende herausfinden, wie gut und unter welchen Bedingungen Wirkstoffkandidaten die Viruslast senken. Mit Hilfe dieser Tests konnte festgestellt werden, welche Kombinationen von Medikamenten am effektivsten wirkt. Dazu zählten auch Erkenntnisse über die bestmögliche Dosierung, um Nebenwirkungen zu minimieren und die Entwicklung von Resistenzen zu vermeiden.
Studien mit Affen belegten, dass eine Kombinationstherapie aus verschiedenen antiretroviralen Medikamenten notwendig ist, um das Virus unter Kontrolle zu halten. Auch die Entwicklung sicherer und langfristig verträglicher Behandlungsansätze geht auf die Forschung an Affen zurück.
Erstes HIV-Medikament in Spritzenform
Auch die Art der Einnahme der HIV-Medikamente als Tablette hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Im Dezember 2020 ließ die EU-Kommission mit Vocabria (Wirkstoff: Cabotegravir) erstmals ein HIV-Medikament zu, das in Kombination mit dem Medikament Rekambys (Wirkstoff: Rilpivirin) per Spritze verabreicht wird. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase in Form von Tabletten werden diese Wirkstoffe alle vier bis acht Wochen in den Gesäßmuskel gespritzt. Grundlage für eine Behandlung in dieser Form ist eine vorherige antiretrovirale Therapie. Im Rahmen der vorklinischen Sicherheitstests für beide Wirkstoffe wurden Versuche an Affen, Ratten, Kaninchen, Mäusen, Hunden und Minischweinen durchgeführt.
Neben den Behandlungsformen, die im Laufe der Zeit entwickelt wurden, sind auch Medikamente bereits verfügbar oder befinden sich in der Entwicklung, um das Risiko einer HIV-Infektion im Vorfeld zu verringern. Man spricht dabei von einer Präexpositionsprophylaxe (PrEP). Das erste dieser vorbeugenden HIV-Medikamente war das Zweifach-Präparat Truvada, das zuvor an Affen getestet wurde.
Großer Durchbruch in der Vorsorge
Als großer Durchbruch in der Vorsorge-Therapie gilt nach den Ergebnissen einer klinischen Phase-3-Studie das PrEP-Medikament Lenacapavir, das nur noch alle sechs Monate unter die Haut gespritzt werden muss. Es besitzt zwar eine EU-Zulassung, ist in Deutschland jedoch aufgrund eines sogenannten fehlenden Zusatznutzens und der damit verbundenen Preispolitik derzeit noch nicht verfügbar. Der Preis für eine Dosis liegt aktuell bei 20.000 US-Dollar. Lenacapavir bot in einer ersten Studie in Subsahara-Afrika Frauen einen 100-prozentigen Schutz vor der Ansteckung mit dem HI-Virus. Auch in Tierversuchen an Südlichen Schweinsaffen (Makaken) zeigte das Mittel zuvor einen vollständigen Schutz. In einer weiteren, jüngst veröffentlichten Phase-3-Studie wurde die hohe Wirksamkeit bestätigt. Das PrEP-Medikament senkte das Infektionsrisiko um 96 Prozent und wirkte auch bei Männern und Transgender-Personen zuverlässig.
Doch auch nach einem Kontakt mit dem HI-Virus besteht inzwischen die Möglichkeit, den Ausbruch von AIDS mit Medikamenten zu verhindern. Diese Medikamente, bekannt als Postexpositionsprophylaxe (PEP), sollten so schnell wie möglich und über einen Zeitraum von vier Wochen eingenommen werden, wie sich in Versuchen an nicht-menschlichen Primaten zeigte. Die schützende Wirkung von PEP wurde zunächst in Studien an nicht-menschlichen Primaten belegt und bestätigte sich später in klinischen Studien bei Menschen.
Impfungen: Ein schwieriges Unterfangen
Trotz weltweiter intensiver Forschungsbemühungen gelang es bisher jedoch nicht, einen Impfstoff gegen das HI-Virus zu entwickeln. Die üblichen Ansätze zur Impfstoffentwicklung gegen Viren haben bei Retroviren bisher weitgehend versagt. Das Hauptproblem liegt darin, dass das Virus durch schnelle genetische Veränderungen innerhalb weniger Wochen zahlreiche Varianten bei einem HIV-infizierten Menschen hervorbringt. Dadurch ist es schwierig, eine stabile Immunantwort zu entwickeln. Hinzu kommt, dass der genetische Code des Virus in langlebigen Körperzellen verbleibt. Das macht eine vollständige Beseitigung des Virus, selbst mit medikamentöser Therapie, bislang unmöglich.
Im Sommer 2024 wurden positive Ergebnisse aus Studien mit nicht-menschlichen Primaten und humanisierten Mäusen zu einem neuartigen Impfansatz, dem sogenannten Keimbahn-Targeting, veröffentlicht. Vier unterschiedliche Forschungsgruppen in den USA hatten eine neue Strategie getestet, die das Immunsystem anregen soll, sogenannte breitneutralisierende Antikörper zu produzieren, die gegen HIV wirken. Diese Antikörper, die besonders viele Varianten des Erregers erkennen, binden an die Virusoberfläche. Sie verhindern, dass das Virus in die Wirtszellen eindringt. Durch ein schrittweises Verfahren mit speziellen Antigen-Boostern gelang es den Forschenden, die Produktion wirksamer Antikörper zu erzielen. Ob diese neuartige Impfstrategie auch bei Menschen wirkt, muss noch in klinischen Studien überprüft werden.
Heilungserfolge als medizinische Sonderfälle
Trotz der Fortschritte bei Medikamenten, die sowohl zur akuten Behandlung als auch zur Prophylaxe von HIV eingesetzt werden, gibt es derzeit keinen zugelassenen Impfstoff und keine Heilung für Menschen, die sich mit dem HI-Virus infiziert haben. Bei einigen wenigen Patienten, die an Leukämie erkrankt waren und eine Stammzelltransplantation benötigten, gelang es, HIV vollständig aus ihrem Körper zu eliminieren. Diese außergewöhnlichen Heilungserfolge gelten als medizinische Sonderfälle und bieten bislang keine praktikable Therapieoption für die breite Masse der HIV-Patienten.
Die vollständige Heilung von HIV zählt trotz bedeutender Fortschritte weiterhin zu den größten Herausforderungen der modernen Medizin. Doch von den bisherigen Erfolgen in Therapie und Prävention profitieren bereits heute viele Menschen. Und sie machen Hoffnung, indem sie eine solide Basis für zukünftige Fortschritte schaffen – Fortschritte, zu denen auch Tierversuche weiterhin einen Beitrag werden leisten müssen.