Bei der Erforschung von Krankheiten wie Schizophrenie, Parkinson oder Alzheimer setzen Forschende zunehmend auf menschliche Hirnorganoide. Diese winzigen, aus Stammzellen hergestellten Zellstrukturen können die Entwicklung des Gehirns teilweise nachbilden. Sie helfen Forschenden, die Entstehung von Krankheiten besser zu verstehen. Aber was genau sind Organoide, wie werden sie genutzt, und welche ethischen Fragen stellen sich bei ihrem Einsatz? Professor Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin gibt im Interview spannende Einblicke.
Organoide sind wenige Millimeter große, organähnliche Strukturen, die in der Kulturschale heranwachsen. Als Ausgangsmaterial dienen entweder embryonale oder aus Hautzellen reprogrammierte „Alleskönner-“Stammzellen. Mit der Methode lassen sich unterschiedliche Gewebetypen mit dreidimensionaler Struktur herstellen, auch Hirnorganoide aus untereinander vernetzten Nervenzellen.
Solche Hirnorganoide ermöglichen Forschenden Einblicke in die Entstehung von Krankheiten wie Parkinson und erlauben es, die Wirkung von Medikamenten oder Umwelteinflüssen gezielt zu untersuchen. Allerdings können in der Zellkultur nur frühe Entwicklungsstadien der Nervenzellen erforscht werden. Die Komplexität der Organoide bleibt weit hinter der eines Gehirns zurück. Werden Hirnorganoide jedoch in den Schädel eines Versuchstiers verpflanzt, können sie weiter reifen und tiefere Erkenntnisse liefern. Schöler ist daher überzeugt, dass solche Tierversuche mit Organoiden uns helfen können, Volkskrankheiten wie Parkinson besser zu verstehen und eines Tages wirksam zu behandeln. Gleichzeitig betont er, dass diese Fortschritte und ihre möglichen zukünftigen ethischen Konsequenzen schon jetzt diskutiert werden sollten – auch wenn auf absehbare Zeit keine Tiere mit menschlichen Fähigkeiten in den Versuchen entstehen können.
Schöler unterstreicht im Gespräch außerdem, dass die Reduktion von Tierversuchen ein zentrales langfristiges Ziel in der Forschung darstellt. Er wünscht sich eine offene und faktenbasierte gesellschaftliche Debatte über die Frage, was bei der Erforschung von Krankheiten wie Parkinson als ethisch vertretbar gilt.